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Der Schönheitschirurg

Der Schönheitschirurg

Titel: Der Schönheitschirurg
Autoren: Richard Gordon
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hinten. Nach ein paar Minuten ging die Eingangstür auf, und ein fetter Mann in kariertem Anzug und mit Hornbrille sagte: «Ja?»
    «Sind Sie der Besitzer?» fragte Graham.
    Der Mann blickte zweifelnd drein. «Der Parterrewohnung jedenfalls.»
    «Wir kommen vom Gesundheitsministerium. Haben Sie meine Dokumente nicht erhalten? Sie hatten größte Dringlichkeit.»
    Der Haushalter trat von einem Fuß auf den anderen. Die Luft war dick von solch ominösen Vorschriften, der gesetzesfürchtigste Bürger schwebte in Gefahr vor Verfolgung und gesellschaftlichem Ruin, wenn er den Marsch zum endgültigen Sieg behinderte, der an diesem Morgen so tapfer begonnen hatte.
    «Wir müssen einige Häuser in dieser Gegend requirieren», erklärte Graham. «Dürfen wir uns umsehen?»
    Von der Aussicht, heimatlos in die Verdunkelung gejagt zu werden, war der Mann so demoralisiert, daß er hastig die Tür öffnete. Innen waren die Dekorationen modernisiert worden, was Graham im großen und ganzen als Verbesserung erschien. Das Arbeitszimmer war nahezu unkenntlich, weil die Nachmittagssonne ungehindert durch die Fenster strömte. Der Kamin, vor dem er Edith verloren hatte, war noch derselbe. Das Frühstückszimmer war immer noch schäbig, wenn auch auf andere Art, und immer noch voller Bücher. Graham nahm an, daß sein unfreiwilliger Gastgeber Akademiker sein mußte wie sein Vater, mit einem Interesse an Altenglisch, was ihn bis zu einem gewissen Grade für die Wohnungen entschädigte. «Danke», sagte Graham, kurz an der Tür. «Sie werden von uns hören.»
    «Ich hoffe, ich werde zeitgerecht verständigt werden. Falls Sie mich umsiedeln, meine ich.» Der Mann schien sehr aufgeregt. «Ich soll auf meinem Posten bleiben. Der Rest meiner Universitätsabteilung wurde nach Bangor evakuiert.“
    «Das hätten Sie nicht sagen sollen», erklärte Graham streng. «Wände haben Ohren!»
    «O Graham!» Edith faßte seinen Arm, als sie den Hügel hinab zur Untergrundbahnstation gingen. «Ich konnte kaum das Lachen verbeißen. Du bist wirklich närrisch!»
    Er lachte. «Nun, es gibt ja im Augenblick nicht viel Grund zum Lächeln, oder?»
    Es gab wirklich nicht viel. Er war dem unbekannten Gelehrten für Altenglisch dankbar, daß er ihn von Haileybury und dem drohenden Bankrott abgelenkt hatte, vor dem selbst der Krieg geradezu trivial war.
    Graham hatte sie in so gute Stimmung versetzt, daß Edith beschloß, noch zum Abendessen zu bleiben. Sie öffneten wieder eine Flasche Champagner.
    «Du kannst nicht allein in der Verdunkelung heimgehen», sagte
    er.
    «Warum nicht? Ich habe meine Taschenlampe. Die Züge fahren noch.»
    «Und wenn es wieder Fliegeralarm gibt? »
    «Vielleicht gibt es keinen.»
    «Nein, nein, ich erlaube es einfach nicht. Du mußt hierbleiben!»
    Sie blickte ihn ängstlich an. «Aber meine Schwester?»
    «Du kannst sie anrufen und ihr sagen, daß du in Sicherheit bist.»
    «Sie haben kein Telefon.»
    «Aber ein Nachbar doch sicher? Man kann es ihnen ausrichten lassen.»
    «Du kannst nicht einfach unsere Nachbarn stören, Graham. Jeder hat ohnedies genug Sorgen.»
    «Unsinn. Alle bersten vor bürgerlichem Pflichtgefühl. Das Land steht köpf, die Leute müssen links, rechts und in der Mitte Botschaften überbringen. Du mußt hierbleiben.»
    Edith erkannte plötzlich aufgewühlt, daß ihr Graham einen höchst merkwürdigen Vorschlag machte. Nach all diesen Jahren! Und überhaupt Robin. Nein, es war närrisch, wirklich närrisch, es war wirklich völlig verrückt. «O Graham!» sagte sie vorwurfsvoll.
    Er setzte sich auf die Lehne ihres Stuhls und legte den Arm eng um sie. Er hatte die Idee über dem Mittagessen entwickelt. Von Stella verschmäht, von Haileybury gejagt, von beruflichem und finanziellem Ruin bedroht, der nur dann noch abzuwenden war, wenn er zuvor von einer deutschen Bombe zerfetzt wurde, suchte er verzweifelt Trost. Außerdem würde es ihm Spaß machen, es wieder mit Edith zu tun. Er hatte sie wirklich sehr, sehr gern. Und er konnte unmöglich allein im Haus schlafen, nicht in der ersten Kriegsnacht. Das wäre viel zu deprimierend.
    «Nein, Graham», sagte sie. «Nein, es ist nicht richtig.»
    «Edith, Liebling... warum denn nicht? Willst du nicht? Es muß schon furchtbar lange her sein, seit du ...»
    Sie mußte es zugeben. So lange, daß sie beinahe vergessen hatte, wie schön es war.
    «Aber wir können unmöglich, Graham! Nicht du und ich. Ich würde mir vorkommen... wie mein eigener Geist als junges Mädchen,
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