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Der Schönheitschirurg

Der Schönheitschirurg

Titel: Der Schönheitschirurg
Autoren: Richard Gordon
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aussehen, als wäre er vor seinem Gegner gekrochen. «Ein Idiot namens Haileybury, den ich seit Urzeiten kenne, kam eben als General herausgeputzt daher.»
    «Leutnant Haileybury?» fragte Edith.
    Er starrte sie überrascht an. Diese Verbindung war ihm schon vor langer Zeit entfallen. «Ja, Leutnant Haileybury, bei Gott! Die Geißel der Gesichtsklinik, der Schlüssellochgucker vom Sommerhaus.»
    «Stell dir vor!» rief Edith. «Du, ich und Leutnant Haileybury. Ganz wie früher, nicht?»
    «Ja, ganz wie früher», überlegte er. Er stockte. «Aber ich habe inzwischen eine Menge Spaß gehabt, nicht wahr?»
    «Zuviel, Graham, wenn du mich fragst. Das ist das Problem mit dir, du schlimmer Junge.»
    Er nahm ihre beiden Hände. Seine Sorgen waren zum Großteil mit Haileybury weggefahren, aber Stella konnte immer noch unfaßbar sein. «Wie wäre es, wenn du heute abend hierher zurückkämst?»
    «Ganz sicher nicht !» Es klang sehr bestimmt. «Graham, du bist wirklich ein Narr. Du willst doch nicht noch einmal Kummer mit mir haben!»
    Sie hat natürlich vollkommen recht, sagte er sich. Er wollte ganz und gar nicht. Beim ersten Male hatte es schon genug Schwierigkeiten gemacht.
    «Ich wollte nur nicht, daß du denkst, unser kleines Vergnügen von gestern abend stelle die Grenzen meiner Gefühle für dich dar, Edith, meine Liebe.»
    «Oh, das würde ich nie denken. Schließlich, schau, was du für Alec tust. Wo ist jetzt bloß mein Hut? Krieg oder nicht, es ist Montagmorgen, und ich muß zur Arbeit.»
    «In Ascot bist du wenigstens sicher. Ein guter Fleck für die Dauer des Krieges. Ich nehme an, du hast ein Quartier?»
    «Ja, sie richten uns Unterkünfte. Ich werde dir eine Postkarte schicken.»
    «Ich werde dich besuchen kommen», schlug er herzhaft vor. «Es wird eine Abwechslung von London sein. Vielleicht fangen sie eines Tages wieder mit den Rennen an!»
    «Wenn wir nicht inzwischen alle Pferde aufessen mußten. Wiedersehen, Liebling.»
    Sie hatte kaum das Haus verlassen, als er den Hörer abnahm und die Nummer von Stella Garrods Wohnung wählte. Diesmal meldete sich jemand. Es war die Sekretärin, die er zum erstenmal getroffen hatte, als er aus dem Schlafzimmer gekommen war. Sie erklärte, Miss Garrod sei vor drei Tagen unerwartet mit einem amerikanischen Linienschiff nach New York abgefahren. Nein, sie wisse nicht, wann Miss Garrod zurück sein würde. Aber ziemlich bald. Sie habe ausführliche Pläne zur Unterhaltung der Truppen. Mr. Trevose könne sie jederzeit über ihren Agenten in New York erreichen.
    Das ist es also! dachte Graham. Er zündete eine Zigarette an. Für eine Weile jedenfalls. Er überlegte plötzlich, ob die Frau nicht überhaupt eine Kanaille war. Edith hatte wenigstens versprochen, ihm eine Postkarte zu schicken.
    Miss Garrod blieb für die nächsten sechs Jahre in den Vereinigten Staaten. Ihre enthusiastische Arbeit für die Aktion Bundles for Britain trug ihr hohes Lob von der Botschaft in Washington ein.

36

    Das Blackfriars Hospital war ein unheimlicher Ort geworden. Seine Säle, wo die Kranken seit der großen Pest gepflegt worden waren, standen leer, sein Ärztestab und seine Studenten waren aufs Land evakuiert, seine edlen Gebäude waren mit Sandsäcken und frisch angeworfenem Beton umhüllt. Nur der mit Stützbalken gesicherte Keller war voller Leben. Dort unten wurden mehr oder weniger bomben- und gassichere Notoperationssäle und Wiederbelebungsstationen von einer Handvoll Chirurgen betreut, damit sie, so gut sie konnten, die Flut der Opfer zusammenflicken könnten, die man in den ersten Tagen des Krieges von den Bombenangriffen erwartete. Am Ende des ersten Monats arbeiteten sie bis zur Erschöpfung, und die Flut der völlig unerwarteten Opfer der Verdunkelung zusammenzuflicken.
    Etwa Mitte Oktober wanderte Graham die mit Sandsäcken verbarrikadierten Korridore entlang, in der Hoffnung, irgendeine Arbeit zu finden. Er bezweifelte es. Niemand schien ihn zu brauchen. Das «Paar geschickter Hände», das Haileybury so herablassend dem Berufsleben zurückgegeben hatte, war nutzlos. Seine Privatpraxis war zugleich mit den anderen Frivolitäten des Friedens verschwunden. Er fühlte sich völlig nutzlos, ein Versager, ein Mann, der in den Strömungen des Lebens hilflos dahintrieb. Dieser ungewohnte Zustand löste höchst schmerzliche Gedanken in Graham Trevose aus.
    Seine Erleichterung, dem beruflichen Tod entkommen zu sein, war gewachsen, je mehr er darüber nachdachte, bis er es kaum
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