Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Schnupfen

Der Schnupfen

Titel: Der Schnupfen
Autoren: Stanislaw Lem
Vom Netzwerk:
nächsten Hügeln kündigten schattenlose Leuchtröhren die Nähe Roms an. Doch hatte ich einen weiteren Weg, da ich die Stadt umfahren mußte. Die Dämmerung machte die Menschen in den Autos unsichtbar und verlieh den Gepäckstücken auf den Dächern rätselhafte Formen. Alles wurde wichtig und anonym, voll von Unausgesprochenem, als stünden am Ende des Weges unendlich bedeutsame Angelegenheiten. Ein Reserveastronaut muß wenigsten zu einem kleinen Teil schofel sein, denn irgend etwas in ihm wartet auf das Stolpern der richtigen Astronauten, und wenn es nicht wartet, so ist er ein Esel. Ich mußte später noch einmal halten, der Kaffee, das Pli-masin, der Schweppes, das Eiswasser wirkten, ich verließ den Bereich der Straße, und die Umgebung überraschte mich - nicht nur der Verkehr schien verschwunden, sondern mit ihm auch die Zeit. Abgewandt roch ich durch den Dunst der Abgase hindurch in der schwach bewegten Luft den Duft der Blumen. Was hätte ich getan, wäre ich dreißig Jahre alt gewesen? Statt eine Antwort auf diese Frage zu suchen, war es besser, den Schlitz zuzuknöpfen und weiterzufahren. Der Schlüssel fiel mir im Dunklen zwischen die Pedale, ich suchte ihn tastend, weil ich keine Lust hatte, die Innenbeleuchtung anzuknipsen. Ich fuhr weiter, weder schläfrig noch wach, weder böse noch ruhig - nur fremd, irgendwie weich und ein wenig verwundert. Die Lampen auf den Masten überfluteten die Frontscheibe, bleichten mir die Hände am Steuerrad und glitten nach hinten, die Schilder mit den Namen schoben sich wie Gespenster aufleuchtend vorbei, und die Betonfugen machten sich durch weiches Trommeln bemerkbar. Jetzt nach rechts, auf die Stadtumgehung Roms, um von Norden her einzufahren wie er. Ich dachte gar nicht an ihn, er war einer von elfen, der Zufall hatte es gefügt, daß ich gerade von ihm alle Sachen übernommen hatte. Randy hatte darauf bestanden, und gewiß zu Recht. Wenn man etwas Derartiges tut, dann so genau wie irgend möglich. Für mich war das Bewußtsein, die Hemden und Koffer eines Toten zu benutzen, recht unwesentlich, wenn es mir zu Anfang schwergefallen war, dann nur, weil es sich um die Sachen eines Fremden handelte, nicht aber, weil er tot war. Es kamen lange, fast leere Strecken, und ich hatte das Gefühl, als ob irgend etwas fehlte, durch die heruntergelassenen Fenster wehte die Luft voller Blütenduft herein, nur gut, daß die Gräser sich schon zur nächtlichen Ruhe begeben hatten. Ich zog nicht einmal die Nase hoch. Psychologie hin, Psychologie her, entschieden hatte doch der Schnupfen. Dessen war ich sicher, obwohl man mir eingeredet hatte, dem sei nicht so. Rational genommen stimmt es ja auch, denn wächst auf dem Mars etwa Gras? Also ist Überempfindlichkeit gegen Sporen kein Fehler. Ja, aber irgendwo an den Rubriken meiner Personalakten, in einer Spalte >Bemerkungen< muß das Wort >Allergiker< gestanden haben, also ein nicht Vollwertiger. Deswegen also ein Reservemann, d. h. ein Bleistift, den man mit dem besten Werkzeug anspitzt, um schließlich keinen einzigen Punkt mit ihm zu setzen. Ein Reserve-Kolumbus, wie klingt das?
    Auf der Gegenfahrbahn fuhr eine lange Kolonne, jeder
    Wagen blendete mich, ich schloß abwechselnd das rechte und das linke Auge. Ob ich mich verirrt hatte? Ich entdeckte keine Abfahrt von der Autostrada. Gleichgültigkeit überkam mich; was kann ich mehr tun, in die Nacht hineinfahren und fertig. Hoch oben, schräg angeleuchtet huschte eine Tafel ROMA TIBERINA vorbei. Also doch.
    Das nächtliche Rom füllte sich mit Lichtem und Verkehr, je mehr ich mich dem Zentrum näherte. Nur gut, daß die Hotels, die ich der Reihe nach abklappern sollte, nahe beieinanderlagen. In jedem breitete man bedauernd die Hände aus - Saison, alles belegt -, also zwängte ich mich wieder hinter das Steuer. Im letzten Hotel gab es ein freies Zimmer, ich forderte aber ein ruhiges im Seitenflügel, der Portier starrte mich an, ich schüttelte bedauernd den Kopf und kehrte zurück zum Auto.
    Der leere Bürgersteig vor dem >Hilton, war in reichhaltiges Licht getaucht. Beim Aussteigen konnte ich den Chrysler nicht entdecken, und der Gedanke durchfuhr mich, sie könnten einen Unfall gehabt haben, deswegen hätte ich sie auch unterwegs nicht gesehen. Mechanisch schlug ich die Tür zu und sah in der Spiegelung, die die Scheibe hinunterfloß, hinter mir die gleißende Schnauze des Chrysler. Er stand hinter dem Parkplatz im Halbschatten, zwischen Ketten und einem Verbotsschild. Ich
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher