Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Schneider

Der Schneider

Titel: Der Schneider
Autoren: Carre
Vom Netzwerk:
Essen mit Osnard im Club Unión. Drei fachmännische Schüsse . Einen in den Kopf , zwei in den Körper , und was noch von ihm übrig war , auf sämtliche Titelseiten verteilt .
     
    Beim ersten Schuß dachte er: Der ist für dich, Mickie.
    Und beim zweiten dachte er: Der ist für mich.
    Den dritten hatte Mickie ihm bereits abgenommen, und Pendel blieb noch eine Zeitlang mit der Waffe in der Hand stehen und lauschte dem Meer und der Stille von Mickies Opposition.
    Dann nahm er Mickie die Jacke von den Schultern, ging zum Wagen zurück, fuhr los und warf sie nach zwanzig Metern aus dem Fenster, wie jeder Profikiller es wohl machen würde, wenn er zu seiner Verärgerung plötzlich merkt, daß er, nachdem er sein Opfer gefesselt und getötet und in der obligatorischen einsamen Gegend abgeladen hat, immer noch dessen verdammte Jacke im Auto liegen hat, die Jacke, die er anhatte, als ich ihn erschossen habe, also wirft er auch die noch weg.
    Wieder in Chitré, fuhr Pendel durch die leeren Straßen und suchte eine Telefonzelle, die nicht von Betrunkenen oder Liebespaaren besetzt war. Sein Freund Andy sollte es als erster erfahren.

23
    Die rätselhafte Dezimierung des Personals der Britischen Botschaft in Panama in den Tagen vor Beginn der Operation Sichere Durchfahrt löste in der britischen und internationalen Presse einen kleinen Sturm aus und wurde zum Anlaß einer allgemeineren Debatte über Großbritanniens heimliche Rolle bei der Invasion durch die US-Amerikaner. In Lateinamerika war man sich einig: YANQUI-HAND-LANGER! schrieb Panamas tapfere Zeitung La Prensa über einem ein Jahr alten Foto von irgendeinem längst vergessenen Empfang, auf dem Botschafter Maltby dem Oberbefehlshaber des Kommando Süd verlegen die Hand schüttelte. Daheim in England gingen die Meinungen zunächst wie üblich auseinander. Die von Hatry kontrollierte Presse sprach im Zusammenhang mit dem Exodus der Diplomaten von einer »brillant erdachten Pimpernel-Operation in der besten Tradition großer Einsätze« und von einem »geheimen Hintergrund, über den wir nie etwas erfahren dürfen«; die Konkurrenz rief Feiglinge! und warf der Regierung vor, sie habe niederträchtige Absprachen mit den übelsten Elementen der amerikanischen Rechten getroffen, im Wahljahr die »Schwächen des Präsidenten« instrumentalisiert, die hysterische antijapanische Stimmung weiter angeheizt und zu Lasten der europäischen Beziehungen Großbritanniens die kolonialistischen Bestrebungen Amerikas unterstützt, und das alles nur, um durch Appell an die niedersten Instinkte des britischen Nationalcharakters der Jammergestalt eines ohnehin längst diskreditierten Premierministers im Vorfeld der Wahl den Rücken zu stärken. Während die Titelseiten der Hatry-Presse vorzugsweise Farbfotos des Premierministers brachten, die ihn auf prestigeträchtigen Reisen nach Washington zeigten – Der bescheidene britische Löwe zeigt die Zähne –, kritisierte die Konkurrenz Großbritanniens »imperialistische Ersatzfantasien« mit Schlagzeilen wie TATSACHEN UND IRRTÜMER und DAS ÜBRIGE EUROPA SCHÄMT SICH und verglich die »erdichteten Vorwürfe gegen die Regierungen von Panama und Japan« mit den willkürlichen Erfindungen, mit denen die Hearst-Presse seinerzeit die aggressive amerikanische Haltung gerechtfertigt und so schließlich den spanisch-amerikanischen Krieg herbeigeführt habe.
    Aber wie sah die Rolle Großbritanniens tatsächlich aus? Wie, falls überhaupt – um einen mit KEINE GEHEIMEN ABSPRACHEN überschriebenen Leitartikel der Times zu zitieren – waren die Briten in den amerikanischen Fettnapf getrampelt? Wieder einmal richteten sich aller Augen auf die Britische Botschaft in Panama und deren Verbindung beziehungsweise angeblich nicht vorhandene Verbindung zu Mickie Abraxas, einem ehemaligen Oxford-Studenten, Noriega-Opfer und bekannten Sprößling des politischen Establishments von Panama, dessen »verstümmelter« Leichnam in einer öden Gegend außerhalb der Ortschaft Parita gefunden worden war, nachdem ihn vermutlich eine dem Präsidenten unterstellte Spezialeinheit zuvor »gefoltert und rituell ermordet« hatte. Die Hatry-Presse brachte diese Meldung als erste. Die Hatry-Presse ritt darauf herum. Hatrys Fernsehsender ritten noch ausführlicher darauf herum. Und bald hatten die britischen Zeitungen aller Couleur ihre eigene Abraxas-Geschichte, von UNSER MANN IN PANAMA bis LOB FÜR DEN HEIMLICHEN HELDEN DER KÖNIGIN? und ENGLANDS 007 – EIN VERSOFFENER
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher