Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Schmetterlingsthron

Der Schmetterlingsthron

Titel: Der Schmetterlingsthron
Autoren: Lyon Sprague de Camp
Vom Netzwerk:
Füße gefesselt sind, ist es schwer, sich vom Boden zu erheben, doch Jorian schaffte es nach mehreren Anläufen. Er hüpfte zur Garderobe und warf sie um. Dann hockte er sich hin und legte die Hände um den Griff des Schwerts, das er zu Vanora schleppte.
    »Du musst die Waffe mit den Füßen umfassen«, knurrte er. Als sie das getan hatte, hüpfte er von ihr fort und zog dabei die Klinge aus der Scheide. Dann schob er den Griff zwischen ihre Füße.
    »Jetzt festhalten, sonst spieße ich mich auf.«
    Er hielt die hinter dem Rücken gefesselten Hände an die Klinge und sägte mit langsamen Bewegungen das Seil durch. Schließlich richtete sich Jorian auf, massierte seine Handgelenke und betastete die Beule auf seinem Kopf. Dann nahm er das Schwert, löste seine Fußfesseln und befreite Karadur und Vanora.
    »Dummköpfe«, sagte er. »Sie hätten das Schwert mitnehmen müssen!«
    »Denk daran, mein Sohn«, sagte Karadur, »dass sich diese Männer ihrer Gegner gewöhnlich mit Geistern und Zaubersprüchen und der transzendentalen Weisheit der Magie erwehren.«
    »Um so schlimmer für sie. Wie spät ist es?«
    »Bei den Göttern!« rief Karadur. »Es muss schon nach vier Uhr sein. Da ist die Debatte über den Vorschlag der Altruisten längst im Gang. Und Vorko arbeitete an dem Gegenzauber, den er sich aus der Truhe beschafft hat! Wo ist denn das verflixte Ding? Ach, sie ist fort. Weh mir, wann bringt mich meine Vertrauensseligkeit noch ins Grab?«
    »Himmel, was für ein Kater!« stöhnte Vanora und hielt sich den Kopf. Sie wirkte nicht mehr sehr attraktiv.
    »Willst du die Front wechseln, mein lieber Doktor?« fragte Jorian.
    »Nein – ich habe stets auf der Seite von Tugend und Ordnung gestanden. Ich würde eher sagen, dass Vorko und seine Kumpane mich im Stich gelassen haben. Wir dürfen keine Zeit verlieren, so schwach ich mich auch fühle.«
    »Wir?« fragte Jorian. »Was gehen mich eure Streitereien an? Meine Arbeit für euch ist getan, außerdem interessiere ich mich nicht für das Zaubererhandwerk.«
    »Du hast doch Vorkos Worte gehört. Denk an seine Tyrannei, die schlimmer wäre als die von Mulvan, Tarxia und Metouro zusammen! Aber mach, was du willst!«
    Der alte Zauberer ging zur Tür. Nach kurzem Zögern folgten ihm Jorian und Vanora.
     
    Jorian stieß die Türen des Ballsaals auf, und Karadur humpelte in den Mittelgang zwischen den Sitzreihen. Ein Redner sagte gerade: »… und wenn Ihr nicht glaubt, dass der einfache Mann solcher Geheimnisse unwürdig ist, dann will ich …« Der Sprecher brach ab, als er Karadur mit blitzenden Augen näher kommen sah.
    »Verrat!« rief der alte Mulvanier. »Einige Mitglieder wollen die Herrschaft in dieser Bruderschaft an sich reißen! Herr Rheits dort notiert sich Namen der Schwarzen Gruppe, um den Angriff gezielt vorzubringen. Ergreift ihn, und wenn ihr mir nicht glaubt …«
    Jorian und Vanora wollten Karadur folgen, doch da stellte sich ihnen Boso in den Weg.
    »Lehrlinge müssen heute auf den Balkon. Nur Meisterzauberer sind hier zugelassen …«
    Dann entdeckte er Vanora. »Du!« brüllte er, und sein Gesicht rötete sich. »Ihr beide habt die Nacht miteinander verbracht – und du wagst es … ich w-will’s dir zeigen, du Dirne!«
    Mit einem Wutschrei riss er das Schwert aus der Scheide, stieß Jorian zur Seite und stürzte sich auf Vanora. Aufschreiend floh das Mädchen in die Vorhalle.
    Zwischen zwei Pflichten hin und her gerissen, zögerte Jorian einen Augenblick. Im Ballsaal schien Karadur die Situation im Griff zu haben. Er äußerte seine Beschuldigungen, und ringsum wurde es lebendig. Mehrere Zauberer hatten Rheits gepackt. Jorian machte kehrt und lief hinter Boso her.
    In der Halle sah er eben noch Vanora, dichtauf gefolgt von ihrem Liebhaber, auf der Treppe verschwinden. Sein Schwert ziehend, setzte er den beiden nach.
    Ein Stockwerk nach dem anderen hastete er hinauf und erreichte bald das Dach des Gebäudes. Die Wolken hingen tief; Regen peitschte herab, Blitze zuckten, und der Donner löschte in unregelmäßigen Abständen das Pfeifen des Winds und das Prasseln des Regens aus.
    Jorian blickte sich hastig um und sah Boso in einem der beiden runden Außentürme verschwinden. Die Tür knallte hinter ihm zu. Jorian nahm die Verfolgung wieder auf, doch Boso hatte den Durchgang hinter sich verriegelt.
    Wahrscheinlich verfolgte Boso das Mädchen bis zur Turmspitze und jagte es dann über die Brücke, die die beiden Türme verband, und auf der anderen Seite
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher