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Der schlafende Engel

Der schlafende Engel

Titel: Der schlafende Engel
Autoren: Mia James
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sie ihm das verzeihen können, niemals. Doch dieser Bär von einem Mann, der sie in den Armen gehalten, ihr Puppen und Süßigkeiten geschenkt hatte, der ihr Fels in der Brandung gewesen war, hatte versucht, auch ihr die Kehle herauszureißen. Und das war es, was ihr das Herz brach.
    »Oh Schatz«, flüsterte Silvia und wiegte sie behutsam in den Armen. »Es war nicht deine Schuld. Du kannst wirklich nichts dafür.«
    »Aber was, wenn ich getan hätte, was er von mir verlangt hat? Wenn ich auf sein Angebot eingegangen wäre?«
    Silvia hob Aprils Kinn und zwang sie, ihr in die Augen zu sehen.
    »Hör mir zu, April, denn was ich dir sage, ist sehr wichtig.« April spürte Silvias Wut förmlich. »Du hast nichts falsch gemacht. Gar nichts. Dein Großvater wollte, dass die ganze Welt nach seiner Pfeife tanzt, und jeder, der es nicht tat, war überflüssig, völlig egal, wer es war – du, ich, Gabriel, dein Dad oder wer auch immer. Glaub mir eins, April – selbst wenn du dich ihm gefügt hättest, wäre irgendwann der Tag gekommen, an dem du ihm lästig geworden wärst oder seinen Anforderungen nicht länger hättest genügen können. So wie meine Mutter.«
    »Grandma?« April schnappte entsetzt nach Luft.
    Silvia nickte.
    »Wahrscheinlich werden wir die ganze Wahrheit niemals erfahren. Onkel Luke hat Jahre damit zugebracht, in der alten Heimat Beweise zu sammeln, aber am Ende läuft es darauf hinaus, dass meine Mutter ein normales Leben für mich haben wollte. Ich sollte unbelastet von Thomas’ Ambitionen aufwachsen können. Sie wollte mich nur beschützen, so wie ich dich beschützen wollte, aber das konnte dein Großvater natürlich nicht akzeptieren.«
    »Und was hat er getan?«
    »Er hat sie bei lebendigem Leib verbrannt und ihre Leiche seinen Hunden zum Fraß vorgeworfen.«
    »Großer Gott!«
    »Und deshalb brauchst du dir keine Sorgen zu machen, du könntest die falsche Entscheidung getroffen haben. Du hast die einzig richtige getroffen. Deshalb bin ich so unglaublich stolz auf dich, und auch dein Dad hätte nichts anderes von dir erwartet.«
    Später konnte April sich nicht erinnern, wie lange sie auf dem Bett gesessen und geweint hatten. Es sah ganz so aus, als brauche Silvia sie ebenso wie umgekehrt. Mit einem so übermächtigen Geheimnis leben zu müssen, konnte nicht leicht gewesen sein; mitansehen zu müssen, wie die Menschen, die man liebte, einer nach dem anderen Opfer dieses Geheimnisses wurden. Vor allem aber konnte es nicht leicht gewesen sein, den eigenen Vater zu töten, auch wenn er noch so ein schreckliches Ungeheuer gewesen sein und den Tod verdient haben mochte. Und auch wenn es dazu diente, sein eigenes Kind dadurch zu beschützen.
    Doch wie alle Stürme auf der Welt zog auch dieser vorüber. Irgendwann putzten Mutter und Tochter sich die Nasen, wischten sich die Tränen ab, dann sammelte Silvia die Fotos und Erinnerungsstücke ein und verstaute behutsam – und mit einem Quäntchen Schmerz – alles wieder in den Schachteln. Danach fühlten sie sich zwar nicht unbedingt gut, aber eindeutig besser.
    Gemeinsam trugen sie die Schachteln nach unten und stellten sie in das Regal über William Dunnes einstigem Schreibtisch – aus irgendeinem Grund schien dies der richtige Platz dafür zu sein. Und es fühlte sich ebenso richtig an, dass Silvia ein paar Fotos herausnahm und in der Diele aufstellte: April als kleines Mädchen im Ballettröckchen, April als schlaksige Zwölfjährige auf einer Schaukel und das allerschönste Foto – April mit ihrem Dad vor dem Loch-Ness-Schild.
    »Morgen besorge ich noch passende Rahmen dafür«, sagte Silvia. »Diese Fotos werde ich nie wieder verstecken.«
    Sie gingen in die Küche, wo Silvia den Wasserkessel aufsetzte und dabei eine Melodie summte, die Dad immer so gern gemocht hatte. April saß währenddessen an der Frühstückstheke und sah ihr zu. Es war fast, als wäre nie etwas vorgefallen. Keine Vampire, keine Morde, keine Blutlachen auf dem Fußboden. Aber all das war passiert, das ließ sich nicht leugnen. April konnte nur hoffen, dass sie in der Lage war, aus allem zu lernen, mit all dem zu leben, denn sie hatte die Geheimniskrämerei endgültig satt.
    »Mum, da ist noch etwas, worüber ich gern mit dir reden würde. Aber bitte sei nicht gleich sauer.«
    Unbewusst wanderte Aprils Hand zu dem Geburtsmal hinter ihrem Ohr. Silvia, der die Geste nicht entgangen war, lächelte.
    »Du meinst die Sache mit der Furie?«
    Beim Anblick von Aprils entsetzter und
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