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Der schlafende Engel

Der schlafende Engel

Titel: Der schlafende Engel
Autoren: Mia James
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Freundin, war komplett aus dem Häuschen gewesen, als sie erfahren hatte, dass Miss Holden auf dem berühmten Friedhof von Brookwood begraben werden würde. »Das ist der größte Friedhof Europas. Früher wurde er als Totenstadt bezeichnet!«
    »Und was ist daran so toll?«
    Noch mehr Tod und Untergang waren das Letzte, wonach April der Sinn stand. In den vergangenen Monaten hatte es schon viel zu viele Todesfälle gegeben, und die Aussicht, dem Begräbnis ihrer Lehrerin beizuwohnen, war alles andere als erfreulich.
    »Glaub mir, April, das wird bestimmt absolut faszinierend«, meinte Fiona. »Brookwood wurde erbaut, um der Explosion der Londoner Bevölkerung im 19. Jahrhundert Herr zu werden. Damals mussten tagtäglich so viele Menschen begraben werden, dass es sogar einen eigenen Bahnhof in Waterloo gab, um die Särge und die Trauergäste zum Friedhof transportieren zu können.«
    Offen gestanden war April erleichtert gewesen, dass der einstige Bahnhof mit dem gruseligen Namen »Necropolis Station« in Waterloo längst nicht mehr existierte – er sei im Zweiten Weltkrieg bei einem Bombenangriff zerstört worden, hatte ihr der Mann am Ticketschalter erzählt –, doch die Bahnstation in der Grafschaft Surrey gab es sehr wohl noch.
    Ansonsten entpuppte sich der Friedhof als ziemliche Enttäuschung. Nach Fees Beschreibung hatte April einen dieser eindrucksvollen viktorianischen Prachtfriedhöfe à la Highgate erwartet, mit üppig verzierten Gräbern und feudalen Mausoleen, stattdessen erinnerte das Areal eher an eine heruntergekommene Farm: Rasenflächen, so weit das Auge reichte, und ein verrostetes Schild mit der Anweisung »Fotografieren verboten«.
    April ging den Kiesweg entlang in Richtung Kapelle, vorbei an einem riesigen, ebenfalls verrosteten Förderband, dessen Eisengerüst einsam gen Himmel ragte. Vielleicht bin ich ja von Highgate verwöhnt , dachte sie. Der Highgate Cemetery war ein echtes Prachtstück, mit zahllosen Engelsstatuen, Säulen und herrschaftlichen Grabstätten, allesamt wunderschön überwuchert und bewusst darauf angelegt, den Besuchern eine Gänsehaut zu bereiten. Andererseits war Highgate voller Leichen – und voller Vampire.
    Dabei hatte sie Angst gehabt, in einem verschlafenen Vorort versauern zu müssen, als ihr Vater ihr letzten Herbst eröffnet hatte, dass sie von Edinburgh nach London ziehen würden. Sie konnte sich noch genau erinnern, wie sie das erste Mal durch die stillen Straßen im Norden Londons gefahren waren – wie sterbenslangweilig alles gewirkt hatte. Ein fataler Irrtum.
    Früher hatte April Horrorfilme immer blöd gefunden – eine Handvoll Idioten, die mit Gummimasken durch die Gegend geisterten und das Kunstblut spritzen ließen. Doch inzwischen wusste sie, dass die Masken echt und die Monster, die sich dahinter verbargen, bösartige, blutrünstige Killer waren.
    Na ja, nicht alle.
    Gabriel nicht.
    Beim Gedanken an ihn machte ihr Herz einen kleinen Satz: Seine dunklen Augen, das winzige Grübchen an seinem Mundwinkel, wenn er sie anlächelte, und wie er in der Nacht von Miss Holdens Ermordung ausgesehen hatte … Sie hatten nebeneinander auf dem Dach von Mr Sheldons brennendem Haus gestanden. Gabriel hatte ihre Hand gepackt und sie mit sich in die Tiefe gerissen. Er hatte so verletzlich ausgesehen, aber trotzdem immer noch unglaublich sexy. Wie war das möglich?
    April schnaubte. Neuerdings war alles möglich. Ihre Schule – das superschicke Ravenwood in Highgate Hill – war von Vampiren verseucht, diente als Fassade für ein globales Verschwörernetz gemeiner Blutsauger, und, ach ja, es hatte sich herausgestellt, dass April selbst eine »Furie« war, eine Art gnadenlose Vampirschlächterin, deren Blut so ziemlich die einzige Substanz auf dem Planeten war, das die Untoten zurück ins Jenseits befördern konnte.
    Sie stand an einer Weggabelung und sah sich nervös um. Sie wollte auf keinen Fall in irgendeiner gruseligen Sackgasse landen, umgeben von Gräbern wildfremder Menschen. Ängste wie diese hatte sie in den vergangenen Monaten schon mehr als genug durchlebt. In diesem Moment ertönten Schritte hinter ihr. Sie wandte sich um.
    »Möchten Sie auch zum Begräbnis von Annabel Holden?«, erkundigte sich ein Mann in einem langen schwarzen Mantel.
    »Onkel Peter!«, rief April. »Was machst du denn hier?«
    »Gütiger Himmel, April«, stieß der Mann sichtlich verblüfft hervor. »Ich habe dich von hinten gar nicht erkannt. Bist du auch mit dem Zug aus London
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