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Der schlafende Engel

Der schlafende Engel

Titel: Der schlafende Engel
Autoren: Mia James
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er ausgelöscht worden war. Und noch einen und noch einen. Schließlich war die Rückkehr von den Toten die Spezialität der Vampire, oder? Aber immerhin konnten sie sicher sein, dass dieser Aufstand niedergeschlagen worden war. Dafür hatte Silvia gesorgt.
    Nachdem sie den Anführer zur Strecke gebracht hatte – das Blut war noch von ihrem Kinn getropft –, war Silvia vor den Rat des Lichts getreten und hatte ihnen befohlen, in ihre Wahlkreise, Büros oder »das Loch, aus dem Sie auch immer hervorgekrochen sein mögen« zurückzukehren und unverzüglich ihr Rückzugsgesuch einzureichen. Dann sollten sie ihre Sachen packen und schleunigst von der Bildfläche verschwinden.
    »Ziehen Sie nach Belgien oder nach Bulgarien, das ist mir völlig egal«, hatte sie gesagt. »Aber sollte ich jemals wieder etwas von Ihnen hören, stöbere ich Sie auf und bringe Sie um. Habe ich mich klar ausgedrückt?«
    Keiner von ihnen hatte auch nur ein Wort gesagt, doch das Tempo, in dem sie aus der Schule geflohen waren, hatte keinen Zweifel daran gelassen, dass Silvias Message angekommen war. Allerdings blieb die Frage, ob sie ausgereicht hatte. Ob es jemals ausreichen würde.
    »Hast du Angst, sie könnten zurückkommen?«, fragte Silvia. »Ist es das, was dir Sorgen macht?«
    »Das werden sie definitiv«, sagte April leise. »Oh, nicht speziell diese Leute. Ich glaube, nach allem sind sie für jeden Tag dankbar, den sie noch erleben dürfen. Aber es wird immer Vampire geben und folglich auch Menschen, die es für eine gute Idee halten, sich mit ihnen einzulassen.«
    »Das stimmt«, bestätigte Silvia. »Das war schon immer so. Auch schon bevor ich Königin war.«
    April musterte sie scharf, doch Silvia lachte nur.
    »Ich habe einen Plan. Versprochen – ich werde dich ab sofort immer einweihen. Aber immer schön eins nach dem anderen«, sagte sie.
    April nickte. Silvia hatte den Rat des Lichts mit erstaunlicher Gerissenheit abgefertigt, deshalb war es gut möglich, dass sie ganz genau wusste, was sie tat. Silvia hatte Detective Chief Inspector Johnston und David Harper zurückgehalten und ihnen ihr Alibi erläutert: Sie seien nach Ravenwood gekommen, um sich eine Strategie zu überlegen, wie die Sicherheit der Schüler nach den jüngsten Gewaltausbrüchen gewährleistet werden konnte. Ohne jede Vorwarnung habe Dr. Tame sich auf Thomas gestürzt – und auf Gabriel, als dieser dazwischengehen wollte. Für den Polizisten und den Politiker galten dieselben Bedingungen wie für die anderen: entweder umfassende Kooperation mit Silvia oder ein blutiges Ende. Als die Polizei eingetroffen war, hatten es beide geschafft, angemessen erschüttert zu wirken. Nein, Silvia hatte alle Eventualitäten abgedeckt. Nur eine nicht.
    »Darf ich dich etwas fragen, Mum?«
    Silvia verzog das Gesicht. »Wieso bin ich mir so sicher, dass mir die Frage nicht gefallen wird?«
    »Du hast Daddy doch geliebt, stimmt’s? Hast du Grandpa deshalb getötet?«
    Silvia drückte Aprils Hand.
    »Es tut mir so leid, Schatz. Ehrlich. Ich wünschte …«
    »Nein, mir ist völlig klar, was passiert ist«, unterbrach April. »Grandpa ist zu uns gekommen …« – ihre Stimme drohte zu brechen – »Er hat geläutet, und als Daddy ihm die Tür aufgemacht hat, ist er reingestürzt und hat ihm die Kehle herausgerissen.«
    Inzwischen schluchzte sie. »Als er es zugegeben und sogar noch damit geprahlt hat, wolltest du ihn umbringen, richtig?«, presste sie mit belegter Stimme hervor.
    Silvia legte die Arme um sie und drückte sie an sich, doch April musste weitersprechen, musste sich alles von der Seele reden.
    »Aber dann hat er versucht, mich umzubringen«, flüsterte April mit erstickter Stimme. »Er hat versucht, mich zu töten, Mum! Wieso? Wieso nur? Hat er mich so sehr gehasst?«
    Dies war die Frage, die sie die ganze Zeit bewusst gemieden hatte. Vielleicht hatte sie all die Jahre gewusst, dass mit ihrer Familie etwas nicht stimmte – sie hatte niemals gefragt, warum bei ihnen keine Familienfotos an den Wänden hingen, hatte nie seine albernen Andeutungen über den Schwarzen Prinzen hinterfragt. Möglicherweise gab es eine ganz einfache Erklärung, weshalb sie all das nie angesprochen hatte: Vampire waren Killer, Monster, Ungeheuer, und wer konnte schon in dem Wissen leben, dass der eigene Großvater ein Geschöpf aus den Tiefen der Hölle war? Grandpa Thomas hatte ihren Dad getötet – diese Tatsache würde für den Rest ihres Lebens auf ihrer Seele lasten. Niemals würde
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