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Der Schlaf und der Tod: Thriller (German Edition)

Der Schlaf und der Tod: Thriller (German Edition)

Titel: Der Schlaf und der Tod: Thriller (German Edition)
Autoren: A. J. Kazinski
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Eingeborenen begegnete.
    Sie blinzelte, konnte ihre Lider nicht mehr offen halten. Sie trat einen Schritt nach hinten zur Kante, während sie unten zwischen den Leuten irgendjemanden zu finden versuchte. Einen Moment lang dachte Niels, dass es zu spät war, doch sie blieb ruhig vor der Kante des Aufzugturms stehen. Von hier aus ging es zehn, zwölf Meter senkrecht nach unten. Er musterte ihr Gesicht. Das war nicht das Gesicht einer Drogenabhängigen.
    »Please. Let me protect you. Hold you …«
    Sie war vielleicht Ende zwanzig, sah aber etwas älter aus. Ein schmales Gesicht. Dunkle Augen. Ein ernsthafter, intelligenter Blick. Feine Züge, hohe Wangenknochen, Augenbrauen, die einen perfekten Bogen beschrieben. Sie passte in keines der Bilder, die er in seiner Erinnerung hatte. Dabei hatte Niels schon so viel gesehen. Nach Hause zurückgekehrte Soldaten, die Amok liefen und ihre Familie erschossen. Psychisch Kranke, die die falschen Medikamente bekamen und gewöhnliche Supermarktkunden für die Dämonen aus ihren Albträumen hielten. Soziale Verlierer, die ihren Frust an ihren Sachbearbeitern ausließen. Drogenab hängige, die zu viel von irgendeinem Scheiß genommen hatten. Aber das alles passte hier nicht – niemand, mit dem er je verhandelt hatte, hatte ausgesehen wie sie.
    »Verdammt, Bentzon, red mit dem Mädchen«, sagte Leon. »Halt sie noch eine Minute hin.«
    »Du bist müde, das sehe ich dir an. Du möchtest schlafen. Aber du hast Angst vor dem, was passiert, wenn du schläfst, nicht wahr? Stimmt das? Aber es wird dir nichts passieren, ich werde bei dir sein«, sagte Niels. »Ich will dir helfen.«
    Die Frau sagte nichts. Niels wiederholte seine Worte auf Englisch, während ihre Augenlider gegen das Unausweichliche ankämpften: den Schlaf .
    »Hast du Angst? Sag mir, vor was? Somebody following you?«
    Er blickte auf ihre linke Hand. Ein Tattoo. Vom Unterarm bis auf den Handrücken. War das ein Herz? Oder ein Name?
    »Darf ich näher kommen? Closer?«
    Keine Antwort. Er sah auf ihre nackten Füße. Ihre Ferse ragte über den Rand, wie bei einem Turmspringer, der sich auf die Olympiade vorbereitete.
    »Willst du etwas über mich wissen?«
    Er rückte beim Sprechen kaum merkbar einen kleinen Schritt näher.
    »Es gibt immer etwas, wofür es sich zu leben lohnt.«
    Warum sagte er das? Man durfte nicht lügen. Man musste immer die Wahrheit sagen. Er richtete seinen Blick nach innen. Meinte er das wirklich so? Hatte er nicht selbst manchmal das Gefühl, dass man all die Gründe, hier zu sein, aufgebraucht haben konnte? Doch, dieses Gefühl kannte er nur zu gut. Aber so etwas konnte er ihr jetzt ja nicht sagen. Die Ehrlichkeit hatte ihre Grenzen. Als er wieder aufblickte, musterte sie ihn.
    »Rede mit mir. Wie heißt du? Just tell me your name. That’s all. Name? Nome?«
    Niels trat an den Rand, weit genug von ihr entfernt. Die Feuer wehr machte unter ihnen alles bereit. Er musste ihre Aufmerksamkeit nur noch ein paar Sekunden in Beschlag nehmen. Sein Knie bewegte sich, unsicher, als fürchtete es sich, unter seinem Gewicht nachgeben zu können. Er lauschte auf ihren Atem: hektisch, stoßweise.
    »Denk dran: Wenn du springst, bin ich der Letzte, der dich lebend gesehen hat. Ich bin dein Abschiedsbrief. Gibt es jeman den, dem du noch eine letzte Nachricht zukommen lassen willst?« Er streckte seine Hand in ihre Richtung aus, und sie schlug nach ihm. Vage, aber trotzdem traf sie ihn mit ihren gepflegten Nä geln. Niels spürte, wie die Haut auf seinem Arm sich öffnete, ohne dass es wehtat. Blut sickerte heraus, rann unter seine Armbanduhr und tropfte von da auf die Brücke. Dann wurde die Luft von dem Schrei der nackten Frau zerrissen.
    »Bentzon!«, rief Leon. »Soll ich hochkommen?«
    Sie sah zu den Schaulustigen unten auf den Bahnsteigen und hatte jemanden erkannt. Jemanden, vor dem sie Angst hatte.
    »Sieh mich an! Sieh nicht nach da unten. Bei mir kann dir nichts passieren. Ich will dir helfen.«
    Sie bewegte sich von Niels weg, kleine Schritte entlang der Kante. Ihre Bewegungen wirkten elegant. Schritt für Schritt. Zen timeter für Zentimeter. Dann blieb sie stehen. Sah Niels in die Augen. Plötzlich hatte sie die Kraft, sie weit zu öffnen. Eine Super nova, die vor dem Unausweichlichen aufleuchtet.
    »Nein«, sagte Niels. »Tu das nicht.«
    »Zwanzig Sekunden, Bentzon«, sagte Leon.
    Sie hob das eine Bein ganz leicht und balancierte nur auf den Zehenspitzen des rechten Fußes.
    »Wenn du springst,
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