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Der Schlaf und der Tod: Thriller (German Edition)

Der Schlaf und der Tod: Thriller (German Edition)

Titel: Der Schlaf und der Tod: Thriller (German Edition)
Autoren: A. J. Kazinski
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Menschen, das darauf wartete, gelebt zu werden. Er hielt auf der Leiter inne, bevor er so hoch war, dass er sie sehen konnte.
    »Ich heiße Niels«, rief er. »Ich bin Polizist. Ich bin unbewaffnet. Und ich will nur mit Ihnen reden, sonst nichts.«
    Er lauschte. Hörte aber nur den Lärm der Straße, die Besoffenen und einen Junkie, der zu ihnen hinüberschrie: »Spring doch, du Nutte.«
    Niels blickte sich auf der Leiter stehend um. Leons Stimme klang ihm im Ohr, ein atemloses Flüstern: »Denk nicht dran, Bentzon, geh weiter. Den bring ich zum Schweigen.«
    Niels warf noch einmal einen Blick in die Menge und sah, wie Leon jemanden mit dem Knie auf den Boden drückte und in Handschellen legte. Denk dran: Nur die Wahrheit sagen.
    »Hören Sie nicht auf diese Leute. Sie sind besoffen und dumm«, sagte Niels und stieg vorsichtig einen weiteren Schritt nach oben. Jetzt sah er sie deutlich. Erster Eindruck: selbstsicher. Sie hatte Stil, und ihre Ausstrahlung wirkte schon fast arrogant. Sie hatte nicht viel Platz dort oben. Ein kleiner Schritt nach rechts oder links, und sie würde abstürzen. Trotzdem war ihr Rücken gerade. Der Körper ruhig. Diese Frau sollte Drogen nehmen? Sie war dünn. Ihre Haut wirkte fein, fast wie Seide. Gepflegt. Schön. Er war jetzt oben auf dem Turm. Vermied den Blickkontakt mit ihr. Es kam ihm vor, als stünden sie auf dem Sprungbrett in einem Schwimmbad.
    »Ich heiße Niels. Ich bin direkt hinter Ihnen.«
    Sie drehte sich um und starrte Niels an. Sie hatten Augenkontakt. Lang genug, damit sie sich nicht ignoriert fühlte. Sie kämpft gegen den Schlaf an, gegen das Betäubungsmittel in ihrem Blut. Heroin vielleicht, dachte Niels.
    »Bleib dran, Bentzon, fünf Minuten«, krächzte Leons Stimme in Niels’ linkem Ohr. Es war störend, und einen Augenblick lang erwog Niels, sich den kleinen Ohrhörer herauszunehmen, aber die Bewegung würde sie verunsichern. Sie musste wissen, dass es in seiner Welt jetzt nur sie gab. Niels spürte, wie sein Hemd sich an seinen Rücken klebte.
    »Vier Minuten, dann sind meine Leute bereit, sie zu schnappen«, flüsterte Leon.
    Dieser Knopf im Ohr – das ging nicht. In den vielen Jahren, die Niels bereits mit Geiselnehmern und Selbstmördern verhandelte, hatte er nie jemanden verloren. Er hatte keine Formel, aber er wusste, was ging und was nicht ging. Und Leons Stimme in seinem Ohr ging nicht.
    Sie sah wieder nach unten auf die Schienen, dann in die Menge. Suchte sie jemanden?
    »Verstehen Sie Dänisch?« Seine Frage überraschte ihn. Doch trotz der ganz hellen Haut hatte sie etwas Fremdartiges. Fast Über irdisches.
    »Ein guter Gedanke, Bentzon. Versuch es auf Englisch.«
    Niels hätte Leon am liebsten zugeschrien, er solle die Klappe halten.
    »English?«, fragte Niels. »Do you understand? Where are you from? Poland? Russia? Ukraine?«
    Schüttelte sie den Kopf? Ganz leicht? Englisch schien auf jeden Fall richtig zu sein.
    »Listen. Just tell me your name. Ihren Namen. Verstehen Sie Dänisch?«
    »Versuch es mit Rumänien, Bentzon. Die Hauptstadt heißt Bukarest«, sagte Leon.
    Niels schloss die Augen und versuchte, die Stimme in seinem Ohr zu ignorieren.
    »Pack sie doch einfach«, rief einer der Schaulustigen.
    Die Frau reagierte und sah sich um, als stünde sie unten auf der Straße und nicht oben auf dem Aufzugturm. Sie hat Angst einzuschlafen, dachte Niels. Angst, was jemand tun könnte, wenn die Medikamente oder Drogen ihr die Selbstkontrolle genommen hatten.
    »Hören Sie nicht auf die«, sagte er. »Sehen Sie mich an. Ich will Ihnen nichts Böses. Ich bin Polizist. Ich möchte mit Ihnen reden. Sie beschützen. Protect .«
    Leons Stimme in seinem Ohr, wie ein Windhauch in Orkanstärke: »Zwei Minuten, Bentzon.«
    Niels trat einen Schritt vor. Sie hockte sich hin, versuchte mit aller Macht, die Augen offen zu halten. Die Frau stieß einen Schrei aus und sah Niels dabei direkt an. Sie hatte Angst vor ihm, hatte Angst vor dem Schlaf. Fürchtete sie ihn mehr als den Tod?, wunderte Niels sich.
    »Ich bin Polizist. Sie sind jetzt sicher. Ich werde auf Sie aufpassen, wenn Sie schlafen«, sagte er.
    Die Frau sah ihn an, ihre Augen sahen aber nicht Niels. Wen sahen sie? Einen Exmann? Einen Verfolger? Niels tippte auf Letzteres.
    »Du!« Er hob seinen Blick, um Kontakt zu bekommen und die Schaulustigen zu übertönen. »Wie heißt du? Ich heiße Niels. Niels«, wiederholte er und schlug sich leicht auf die Brust. Wie Livingstone, der zum ersten Mal einem
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