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Der Schlaf und der Tod: Thriller (German Edition)

Der Schlaf und der Tod: Thriller (German Edition)

Titel: Der Schlaf und der Tod: Thriller (German Edition)
Autoren: A. J. Kazinski
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hatte Niels geantwortet und dann hinzugefügt: »Intelligenz ist sexy, aber deine Frau scheint das ja anders zu sehen, Damsbo.«
    Im Moment war es eher nicht so toll. Hannah war ein Rätsel, verpackt in einem Mysterium und verschlüsselt von einem Enigma. Wer hatte das gesagt? Churchill? Nein, jetzt hör auf, Niels, konzentrier dich auf deine Aufgabe. Dybbølsbrücke, eine Frau will springen. Er musste Leon erreichen, brauchte ein paar Hintergrundinformationen über sie, etwas, worüber er sich auf seinem Weg Gedanken machen konnte. Aber immer wieder sah er nur Hannah. Ihre physischen Veränderungen. Irgendetwas stimmte da nicht. Glückliche Erinnerungen trieben ihm Tränen in die Augen: das erste Mal, als sie ihm das Niels-Bohr-Institut gezeigt hatte. Da waren sie gerade erst zusammengekommen. Ein Wochenende im Bett, und danach, am Montag, hatten sie sich ihr jeweiliges Leben zeigen wollen. Sie hatte ihm von der dunklen Materie des Universums erzählt und ihm Niels Bohrs Pfeife gezeigt. Und sie hatte sich auf den Tisch des alten Meisters gesetzt, als Niels die Tür des Büros geschlossen hatte, und etwas von der Quantenmechanik gemurmelt, während Niels sie geküsst und seinen Körper an sie gedrückt hatte.
    Ein Bus bremste plötzlich vor ihm, und nur um Haaresbreite konnte Niels noch ausweichen. Er rieb sich das Gesicht und versuchte noch einmal, sich auf seine Arbeit zu konzentrieren: Dybbølsbrücke. Was hatte Leon gesagt: Eine Drogenabhängige? Nackt? Mehr wusste er nicht. Niels wunderte sich über ihre Wahl, während er am Tivoli abbog. Die Dybbølsbrücke war nicht sonderlich hoch, andererseits aber hoch genug, um für ein One-Way-Ticket in den Himmel oder die Hölle zu reichen. Warum waren es immer die technischen Details bei diesen Selbstmordversuchen, die Niels ins Grübeln brachten? Wie sie es machen wollten. Welchen Turm sie wählten oder welche Pillen sie schluck ten. Benutzten sie ein Seil oder ein Kabel, wenn sie sich zu Hause in ihrem Esszimmer erhängten? Tranken sie Salpetersäure, oder zogen sie ihr Brautkleid an, bevor sie sich die Pulsadern aufschnitten? Seine Gedanken kreisten nie – wie die der ande ren Kollegen – um das Warum. Wieso jemand auf den Gedanken gekommen war, dass sein Leben nicht mehr lebenswert war. Vielleicht weil dieser Gedanke auch Niels schon einmal gestreift hatte?
    Der Polizeifunk knackte. Es war Leon.
    »Ja?«
    »Wo bleibst du denn, Bentzon?«
    »Zwei Minuten.«
    »Zwei Minuten? Bis dahin ist sie gesprungen. Gib mir einen guten Rat.«
    »Einen guten Rat?«
    »Irgendetwas, das ich ihr sagen kann.«
    Niels dachte nach. Was konnte Leon einem Menschen sagen, der sich aus dem Leben verabschieden wollte? Gute Reise? Es musste ja ehrlich sein. Das lernte man als Erstes bei diesen Gesprächskursen. Ehrlichkeit war die Regel Nummer eins.
    »Denkst du nach, oder was?«, fragte Leon durch den Funk.
    »Nur das sagen, was du wirklich meinst. Das ist das Alpha und Omega.«
    »Etwas, das ich meine? Ich meine, dass sie sich etwas anziehen und sofort von diesem Turm kommen sollte. Und ich hätte auch nichts dagegen, wenn sie sich ein bisschen normaler verhalten würde.«
    Leons Ungeduld war legendär. Vielleicht aufgrund seiner beinahe übernatürlichen Fähigkeiten auszurücken, wenn etwas geschah. Egal, was los war oder wo es geschah, man konnte immer damit rechnen, dass Leon als Erster da war. Mit entsicherter Pistole und der eingebauten Hoffnung, dass sich die Dinge ohne Machtanwendung nicht regeln ließen. Die jungen Beamten machten darüber schon Witze. Niels hatte das mehrmals mitbekommen, natürlich immer hinter Leons Rücken. Mit einer Mischung aus Verachtung und Faszination – Angst und Respekt – bezeichneten sie Leon als eine Einmannarmee, mit der man immer rechnen konnte. Aber mögen tat ihn niemand. Das war schlichtweg unmöglich. Wobei Leon das egal war. Er wollte es so, alles andere würde ihn schwach machen. Im Übrigen hatte er allem Anschein nach eine hingebungsvolle Frau und ein paar süße Kinder – so gesehen war das Leben wirklich voller rätselhafter Widersprüche.
    Niels fuhr bei Rot über die Kreuzung am Fischmarkt, überholte ein Taxi und raste in Richtung Hafen. Eine Minute noch, dann war er da. Die Dybbølsbrücke unweit des Fischmarkts, nicht gerade ein charmanter Rahmen, um mit alldem Schluss zu machen. Aber vielleicht machte man sich in einer solchen Situation darüber ja keine Gedanken und ließ Ästhetik und Schönheit außen vor. Dass man Brücken
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