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Der Schlaf und der Tod: Thriller (German Edition)

Der Schlaf und der Tod: Thriller (German Edition)

Titel: Der Schlaf und der Tod: Thriller (German Edition)
Autoren: A. J. Kazinski
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eine Frau Mitte vierzig mit halblangen, dunkelbraunen Haaren. Als kleines Kind hatte sie Sommersprossen gehabt, im ganzen Gesicht. Mittlerweile schienen sie weggewaschen zu sein, nur im Sommer waren sie noch ganz vage zu erahnen. Sie setzte ihre nächtliche Studie fort: Ihre Formen waren schön, und sie war groß, fast so groß wie Niels. Schlank, vielleicht eine Spur zu dünn. Sie hatte abgenommen, seit sie schwan ger war. Das waren die Sorgen, dabei hätte sie doch eigentlich zunehmen sollen. Nur ihre Brüste waren größer geworden. Ein bisschen. Sie hielt die Kerze dichter vor das Fenster, damit sie ihre Augen sah. Angst. Ich habe eine Scheißangst, dachte sie. Und ich weiß nicht, ob ich ihn noch liebe. Niels. Ich weiß gar nicht, ob ich in der Lage bin zu lieben. Vielleicht ist diese Gabe ja nicht allen vergönnt?
    Sie brauchte noch eine Gauloise und vielleicht einen Schnaps. Wollte ihre Sorgen noch einmal durchgehen, bevor sie wieder ins Bett ging.

3.
    Islands Brygge, 23.37 Uhr
    Das Telefon vibrierte auf dem Küchentisch. Niels Bentzon sah auf seine Uhr. Das konnte nur die Arbeit sein. Irgendeine arme Seele, die sich oder andere umbringen wollte und zur Vernunft gebracht werden musste. Aber nicht heute Nacht, dachte Niels. Er hatte frei, sollten sie doch den Nächsten auf der Liste anrufen.
    Das Telefon brummte weiter.
    Hannah war weniger als vier Meter von ihm entfernt, trotzdem schien ein ganzes Universum sie zu trennen. Er hatte sie beobachtet, als sie ihr eigenes Spiegelbild betrachtet hatte. Sie war unzufrieden, das sah er ihr an. Niels Bentzon gab vor zu schlafen, als sie ins Zimmer kam, um ihre Zigaretten und den Mückenspray zu holen. Sie gab sich Mühe, leise zu sein, aber trotzdem hatte er sie draußen auf dem Balkon mit sich selbst reden gehört. Wie auch gestern und viele andere Nächte davor. Und er wusste, dass es nur noch schlimmer werden würde, wenn sie wüsste, dass ihre Schlaflosigkeit auch ihn wach hielt. Aber so war es.
    In der letzten Zeit hatte Hannah sich immer mehr in sich selbst zurückgezogen. Vielleicht hatten sie sich zuvor zu impulsiv ins Leben gestürzt und zu früh geheiratet. Niels dachte oft darüber nach. Hatten sie ihre jugendliche Verliebtheit mit richtiger Liebe verwechselt? War das der Grund?
    Hannah schloss vorsichtig die Tür hinter sich und verschwand nach draußen auf den Balkon. Niels sah immer wieder die Glut der Zigarette aufglimmen. Wie ein Puls, der Puls der Nacht. Wüsste er es nicht besser, würde er annehmen, dass sie schwanger ist. Ihre Brüste waren in der letzten Zeit angeschwollen. Aufgefallen war ihm das eines Tages in der Küche, als er sie von hinten umarmt hatte. Sie hatte ihn abgewiesen, ihren Po nach hinten gedrückt und sich aus seiner Umarmung gewunden. Etwas von Kopf schmerzen gesagt. Wirklich, wüsste er nicht, dass sie keine Kinder bekommen konnte, wäre er sich beinahe sicher. Aber so war es.
    Er sah sich in der Dreizimmerwohnung um. Versuchte noch immer, dieses verfluchte Telefon zu ignorieren. Warum hatten sie diese Wohnung gekauft? Er mochte sie eigentlich nicht, die Aussicht über den Kopenhagener Hafen war schön, durchaus, aber der beinahe klinische Stil dieses Neubaus störte ihn, all das kalte Weiß. Wie in einem Krankenhaus. Aber vielleicht war es ja so, dass alle Frischverliebten ihr gemeinsames Schicksal mit einem dummen Kauf besiegeln mussten. Einem viel zu alten Auto, einer etwas zu kleinen Wohnung, einem baufälligen Sommerhäuschen. Er dachte an Kathrine, seine Exfrau, während die Glut von Hannahs Zigarette draußen glimmte. Vermisste er sie, oder vermisste er das Gefühl der Nähe? Wirklich schwer zu sagen, schloss er. Nähe, Zweisamkeit. All das, was man mit seiner Frau haben sollte, was er mit Hannah aber nicht mehr hatte. Vielleicht hatten sie in einem Anfall von Wahnsinn geheiratet? Ja, verdammt. Aber ist die Verliebtheit nicht der letzte Ort, wo man sich kriminell verhalten durfte, ohne bestraft zu werden? Wo ein bisschen Wahnsinn durchaus angebracht war? Nein, Niels zog den Gedanken zurück und versuchte es erneut: Wir werden trotzdem bestraft, nur nicht vom Staat. Die Strafe bestand in Schlaflosigkeit, Herzschmerzen, wortlosen Abenden, einem nach dem anderen … ging das jetzt schon zwei Monate so? Er versuchte nachzurechnen. Wann war das geschehen? Vor anderthalb Monaten? Oder einem Monat? Anfühlen tat es sich wie ein Jahr. Er sollte ausziehen. Sich eine kleine Wohnung suchen. Niels über zeugte sich selbst davon,
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