Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Scherbensammler

Der Scherbensammler

Titel: Der Scherbensammler
Autoren: Monika Feth
Vom Netzwerk:
wartend vor der Terrassentür. Sie begrüßte mich, indem sie sich gegen mein Bein drückte und zärtlich gurrte. Ich sah mich nach Edgar um und wollte gerade nach ihm rufen, als er unter einer Gruppe von Sträuchern hervorkam. Steifbeinig, den Schwanz steil aufgerichtet, stakste er auf mich zu. So bewegte er sich immer dann, wenn er nervös war.
    Die Tierfänger? Ich spähte aufmerksam in alle Richtungen, ohne etwas zu entdecken. Inzwischen waren die Katzen ins Haus gelaufen. Wahrscheinlich hatte etwas ganz anderes den Kater aufgeregt, eine Maus oder ein Marder oder was sonst auf dem Land so kreuchte und fleuchte. Ich folgte den Katzen in die Küche und versorgte sie mit Futter und frischem Wasser.
    Sie fraßen ein paar Happen und sausten wieder zur Terrassentür. Irgendetwas stimmte nicht. Kaninchen in Gelee verschmähten sie nicht ohne Grund. Ich ging durch alle Räume, guckte durch sämtliche Fenster. Die Katzen vergaßen mich völlig, starrten nur hinaus in den Garten und schlugen erregt mit dem Schwanz.
    »Also gut.« Seufzend griff ich nach dem Türhebel. »Dann seh ich mich draußen noch mal um. Aber ohne euch.«
    Ich hatte noch nicht mal einen Fuß nach draußen gesetzt, als Edgar schon an mir vorbeizischte und wieder unter den Büschen verschwand, aus denen er kurz vorher aufgetaucht war. Ärgerlich lehnte ich die Tür hinter mir an und ging ihm nach. Ich hörte, wie Molly im Haus lautstark protestierte.
    »Schluss jetzt, Eddie! Komm da raus! Ich muss los.«
    Ich schob ein paar Zweige zur Seite und fuhr erschrocken zurück.
    Da saß ein Mädchen mit angezogenen Beinen, das Gesicht halb hinter den Knien verborgen. Sie starrte mich aus aufgerissenen Augen an. Edgar hockte zu ihren Füßen und rieb vertrauensvoll den Kopf an ihrer Wade.
    »Hi«, sagte ich, nachdem ich wieder in der Lage war zu sprechen.
    Sie antwortete nicht, wich unmerklich zurück. Ihr Alter konnte ich schlecht schätzen, dazu war ihr Gesicht zu schmutzig. Aber sie war höchstens ein, zwei Jahre älter als ich. Wenn überhaupt. Was hatte sie im Garten meiner Mutter verloren?
    »Ich bin Jette. Die Tochter von Imke Thalheim. Und wer bist du?«
    Sie fing an zu zittern. Mir fiel auf, dass sie die Ärmel ihres T-Shirts über die Hände gezogen hatte. Als wäre ihr kalt. Edgar rollte sich auf ihren Füßen zusammen und blinzelte mich schmaläugig an. Vorsichtig ging ich in die Hocke.
    »Das ist Edgar«, sagte ich leise.
    Ich hatte keine Ahnung, ob sie meine Worte verstand. Sie hörte nicht auf zu zittern.
    »Und dann gibt es noch Molly. Sie ist im Haus.«
    Ich musste das Zauberwort finden. Aber wie?
    »Edgar mag dich«, tastete ich mich weiter vor. »Das ist ungewöhnlich. Er schließt nicht schnell Freundschaft mit Fremden.«
    Eine kleine, kindliche Hand stahl sich aus dem Ärmel des T-Shirts und legte sich sanft auf Edgars Nacken. Edgar fing an zu schnurren.
    »Meine Mutter hat mich gebeten, die Katzen ins Haus zu holen. Es sind zurzeit wieder Tierfänger unterwegs. Sie fangen die Katzen ein und verkaufen sie an Labore.«
    Himmel. Was plapperte ich da?
    »Sie arbeiten mit den miesesten Tricks. Die Katzen haben keine Chance. Ich weiß das von meiner Freundin Merle. Die ist nämlich Tierschützerin und kennt die ganzen üblen Machenschaften dieser Typen.«
    Ihre Hand war rot. Als hätte sie sie lange unter kaltem Wasser geputzt. Oder als hätte sie mit roter Kreide gearbeitet. Ihr Handgelenk war dünn wie das eines Kindes. Und ihre Ärmel …
    Meine Augen hatten sich allmählich an das Dämmerlicht zwischen den Sträuchern gewöhnt. Zuerst erkannte ich Flecken auf der Kleidung des Mädchens. Als Nächstes sah ich, dass sie nicht von Kaffee oder Kakao herrühren konnten. Ich weigerte mich hartnäckig, zu begreifen, was meine Augen mir längst verraten hatten - dass dieses Mädchen über und über beschmiert war. Mit Blut.
    Mein Herzschlag setzte aus. Ich bekam keine Luft.
    Es dauerte eine Weile, bis ich mich wieder gefangen hatte. Und wahrnahm, dass ihr Zittern unmerklich nachließ. Ein gutes Zeichen. War ich auf dem richtigen Weg? Mochte sie Katzen? Sollte ich da weitermachen? Ich beschloss, so zu tun, als hätte ich nichts bemerkt.
    »Merle und ich wohnen zusammen in einer WG. Wir haben auch zwei Katzen. Donna und Julchen. Sie wurden aus einem Labor befreit. Du hättest sie sehen sollen damals. So furchtbar dünn und ängstlich. Inzwischen sind sie wie umgewandelt. Fremden gegenüber sind sie allerdings immer noch sehr scheu. Solche grauenvollen
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher