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Der Scherbensammler

Der Scherbensammler

Titel: Der Scherbensammler
Autoren: Monika Feth
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zappeln.
    »Nicht!« Das Mädchen hob die Hände. »Nicht festhalten!«
    Merle setzte Julchen ab und die Katze verschwand mit einem Satz hinter dem Garderobenständer.
    Mina wagte sich zögernd herein. Ihr Gesicht war schmutzig, die Wimperntusche auf ihren Wangen verlaufen. Ihre Hände waren rot verschmiert. Die Flecken auf Hose und T-Shirt bestanden eindeutig aus getrocknetem Blut.
    Merle bemühte sich, nicht auf die Flecken zu starren. Auch  nicht auf das schmutzige Gesicht und erst recht nicht auf die roten Hände. Wahrscheinlich war das ebenfalls Blut. Was war diesem Mädchen zugestoßen? Was hatte sie so in Panik versetzt?
    »Ich hab einen Bärenhunger«, sagte Jette in Merles Gedanken hinein. »Du auch, Mina?«
    Geschickt, dachte Merle. Sie äußert das ganz beiläufig. Die einzig richtige Art, das Mädchen anzusprechen.
    Mina antwortete nicht. Sie sah sich in der Küche um, als müsse sie sich erst vergewissern, dass hier keine Gefahr lauerte.
    Jette holte ein drittes Gedeck aus dem Schrank, Merle machte den Rotwein auf. Sie setzten sich an den Tisch und fingen an zu essen. Dabei unterhielten sie sich wie immer und taten so, als achteten sie nicht auf Mina, die wie eine fremde Katze durch den Raum strich.
    Endlich setzte sie sich zu ihnen. Jette schenkte ihr Wein ein. Mina wollte nach dem Glas greifen und hielt mitten in der Bewegung inne. Sie starrte auf ihre Hände, ihr T-Shirt, die Hose, sprang auf und lief zur Tür.
    »Mina!«, rief Jette. »Bleib hier!«
    An der Wohnungstür holte sie das Mädchen ein. Sie redete ihr beruhigend zu, legte ihr den Arm um die Schultern und führte sie ins Badezimmer. Merle suchte in ihrem Schrank nach Klamotten, die Mina passen könnten, entschied sich für Jeans und ein T-Shirt und brachte die Sachen ins Bad.
    Das Blut von Minas Händen färbte das Wasser rot. Es roch leicht metallisch, ein Geruch, der bei Merle Übelkeit verursachte, seit sie mit schwer misshandelten und verletzten Tieren zu tun hatte. Mina weinte und keuchte und schrubbte ihre Hände mit der Nagelbürste ab, dass es wehtat, ihr dabei zuzusehen.
    Jette stand hilflos neben ihr. Sie hielt ein Handtuch bereit, aber Mina konnte nicht aufhören, ihre Hände zu malträtieren. Schließlich drehte Merle den Wasserhahn zu. Erschöpft ließ Mina die Schultern sinken.
    Merle gab ihr die frischen Sachen, half ihr beim Umziehen und stopfte die blutbefleckten Kleidungsstücke in die Waschmaschine. Jette säuberte Minas Gesicht behutsam mit einem feuchten Waschlappen. Mina ließ es geschehen. Vielleicht merkte sie es nicht einmal.
    Dann kehrten sie in die Küche zurück. Mina starrte vor sich hin. Als hörte sie etwas, das nur für ihre Ohren bestimmt war. Ein Ausdruck von Erstaunen lag auf ihrem Gesicht.
    Die Situation war gespenstisch. Da saßen sie mit einem fremden Mädchen am Tisch, das auf kaum etwas reagierte, nichts von sich preisgab und ganz offensichtlich an einem schweren Trauma litt. Dem etwas Unaussprechliches zugestoßen sein musste. Und sie hatten keine Ahnung, wie sie helfen konnten.
    Schließlich füllte Merle eine Wärmflasche mit heißem Wasser und brachte Mina in Mikes Zimmer. Mina legte sich angezogen auf das Bett und rollte sich wie ein Fötus zusammen. Merle breitete eine Wolldecke über ihr aus und schob ihr die Wärmflasche darunter. Es gelang Mina gerade noch, die Wärmflasche an sich zu ziehen. Im nächsten Moment war sie eingeschlafen.
    Mit angehaltenem Atem schlich Merle aus dem Zimmer. Die Tür ließ sie offen stehen. Sie ließ auch das Licht im Flur brennen. Das vertrieb nicht nur bei kleinen Kindern die bösen Geister.
    »Da musst du mir aber einiges erklären«, sagte sie zu Jette, als sie wieder in die Küche kam.
    Jette nickte und fing an zu erzählen.
     
    Bevor sie einschlief, hörte sie die Stimmen in ihrem Kopf. Sie hatte sie schon so oft gehört. Es waren immer andere. Als  führten irgendwelche Leute in ihrem Kopf Gespräche. Meistens hörte sie nur Schnipsel davon, sodass sie nicht sagen konnte, worum es ging, aber sie konnte die Stimmen voneinander unterscheiden.
    Sie machten ihr Angst. Wie Parasiten waren sie und es gab keine Medizin dagegen. Man musste sie auf andere Art bekämpfen. Da konnte nur einer helfen, der das studiert hatte. Einer wie Tilo Baumgart. Sie hatte große Hoffnungen in ihn gesetzt. Aber allmählich war sie sich nicht mehr sicher, ob er ihr wirklich helfen konnte. Vielleicht war sie doch einfach nur verrückt.
    Nein. Er würde dich nicht belügen. Er ist
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