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Der Schatten von nebenan - Roman

Der Schatten von nebenan - Roman

Titel: Der Schatten von nebenan - Roman
Autoren: Michael Saur
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weitere Fragen, bei denen es um Nebensächlichkeiten ging. Dann kam die Verteidigung an die Reihe, Amos ins Verhör zu nehmen. Hall schien Furcht vor jeder Frage, und noch mehr Angst vor jeder Antwort zu haben, und meine Erklärung dafür war, dass er damit rechnen musste, sie würden unseren anstehenden Handel gefährden. Der Form halber musste er jedoch fragen. Unbeholfen griff er einige der Äußerungen von Amos auf. »Ich glaube an seine Schuld. Ohne Zweifel«, antwortete Amos, und kurz darauf durfte er den Zeugenstand verlassen.
    Nach einem Gerichtsmediziner, der einen Bericht über Priscillas Wunden und die Todesursache lieferte, betrat Detective Lewis Palmer den Gerichtssaal. Er trug einen blauen Anzug und eine gelbe Krawatte dazu. Unsere Augen trafen sich, und ich fühlte mich daran erinnert, dass wir beide dem Tod nur knapp entronnen waren. Er trug jetzt Koteletten, und er schien um einige Pfunde leichter zu sein. Ich war eigenartig froh, ihn zu sehen.
    Alan Monty hatte Palmer aus einer bestimmten Absicht heraus vorgeladen. Er wollte die Geschworenen an die zwei anderen Opfer erinnern, die zwei Beamten, die bei dem Autounfall am Tag meiner Verhaftung ums Leben gekommen waren. Er hatte fest damit gerechnet, dass Palmer das tun würde, was ein guter Polizist seiner Ansicht nach tat. Palmer wählte seine Worte sorgfältig und langsam, seine Erinnerungen waren präzise bis zu dem Moment des Aufpralls. Nach wenigen Minuten fiel Palmer auf, dass der Staatsanwalt sich mit seinen Fragen auf den Unfall konzentrierte, obwohl der Detective der diensthabende Beamte im Fall der Entführung der beiden Mädchen gewesen war. Palmer beantwortete die Fragen bezüglich des Unfalls in einem Ton spürbar steigender Verwunderung über dessen Bedeutung. Seine Antworten zum Hergang des Unfalls fielen knapper aus als die, die er auf die paar Scheinfragen über die Entführungs- und Mord-Untersuchung gab. Palmer unterbrach Monty schließlich und sagte geradeheraus, dass der Unfall reines Pech gewesen sei, und dass eine abschließende Untersuchung vorliege, die nur den einen Schluss zuließe, nämlich dass der Fahrer des Kaffeelasters die rote Ampel überfahren habe, und dass er außerdem viel zu schnell aus der Straße angerast gekommen sei, selbst wenn die Ampel auf grün gestanden hätte.
    Die Augen der Geschworenen waren jetzt alle auf Palmer gerichtet.
    »Detective Palmer, warum haben Sie am Tag der Verhaftung die Handschellen des Angeklagten geöffnet, als Sie im Polizeiwagen saßen?«, nutzte Hall den Augenblick.
    Palmers Stimme war klar und laut. »Weil ich nicht überzeugt war, dass Galvin Shelby dieser Verbrechen schuldig ist«, sagte er.
    Ein unterdrücktes Raunen ging durch den Saal. Palmer klang wie ein sturköpfiger Dozent, der an einer lang vergessenen Theorie festhielt – etwa sagte, dass Zigaretten das Gehirn stimulierten, oder dass die Erde eine große Scheibe mit tiefen Abgründen an ihren Rändern sei. Amos sah mich an, aber er sah mich nicht wirklich. Es war etwas anderes, etwas, das sich in seinem Kopf abspielte.
    Der Staatsanwalt fing an, hastige Notizen auf seinen gelben Block zu kritzeln. Mein Anwalt nickte benommen. Die Geschworenen blickten verwirrt. Eine alte Dame in der zweiten Reihe auf der Geschworenenbank, die die meiste Zeit über einnickte, schüttelte energisch ihren Kopf. Der Richter warf Palmer einen langen Blick zu. Und ich? Ich fragte mich, welchen Preis Palmer dafür bezahlen würde, dass er gegen den Strom schwamm.
    Aber am Ende kamen und gingen Palmers Worte wie ein bedeutungsloser Stern, der verglüht. Die Staatsanwaltschaft schmetterte das Angebot eines Schuldbekenntnisses ab. Die Geschworenen tagten einen Nachmittag und einen Morgen lang. »Wäre hart zu knacken gewesen, der Fall«, sagte mein Anwalt anstelle eines Aufwiedersehens, gerade so, als wären wir Wochenendspieler in einem gelegentlichen Match auf dem Sportplatz und hätten eine Partie gegen ein Team mit Spielern aus der oberen Liga verloren.

-3-
    D er weiße Polizei-Van verließ gegen Mittag des nächsten Tages das Gerichtsgebäude und steuerte durch die Chambers Street zum West Side Highway. Von da fuhr der Wagen über den Henry Hudson Expressway durch einige der nördlichen New Yorker Vororte auf den Turnpike zu. Ich beobachtete den ruhigen Hudson und etwas weiter nördlich die eigenartig flache Küste von New Jersey im gelben Mittagslicht. Ein Familienauto mit zwei Kindern auf dem Rücksitz fuhr eine halbe Meile lang neben
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