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Der Schatten von nebenan - Roman

Der Schatten von nebenan - Roman

Titel: Der Schatten von nebenan - Roman
Autoren: Michael Saur
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Sitzung für den dritten Tag eröffnet hatte, hielt ich Ausschau, und wieder sah ich den Mann mit dem unbeholfenen Gang, als er den Raum betrat. Ich hatte keinen Zweifel, dass er Randolph Durants Sohn war. Er hatte auch die kräftige Nase seines Vaters geerbt, die Form des Kopfes, nur war er von der Gestalt her schmaler. Der Mann bemerkte, wie ich ihn ansah, und er winkte mir mit einem Lächeln auf dem Gesicht zu, und ich verstand, dass ich trotz des langen Briefes nicht wusste, warum er dem Prozess beiwohnte.
    Der Tag, an dem ich Durants Sohn erkannte, war auch der Tag, an dem David Amos seine Aussage machte. Der Ausdruck auf seinem Gesicht war im Gerichtssaal stets konzentriert und ernsthaft gewesen. Und so war es auch, als er durch die Doppeltür kam. Zuerst war Monty an der Reihe, Amos zu befragen. James Hall ordnete Papiere, versuchte sich auf seine Zeit mit dem Zeugen vorzubereiten. Amos brachte ein Gefühl von Erfolg mit sich, von zivilisiertem Wohlstand, der nicht in seiner Kleidung lag, sondern in seinem Gang, in seiner Schlankheit, in der weichen Art seiner Bewegungen.
    »Guten Morgen, Sir. Können Sie dem Gericht bitte Ihren Namen nennen?«, begann Monty mit seinem üblichen Vorspiel.
    »David Amos.«
    »Erkennen Sie in diesem Gerichtssaal den Angeklagten Galvin Shelby?«
    Amos zeigte auf mich. Dabei sah er mir direkt in die Augen.
    »Haben Sie bemerkt, wie der Angeklagte Ihre Tochter verfolgt hat?«
    »Erst nachdem meine Frau und meine Tochter mich darauf aufmerksam gemacht hatten.«
    »Waren Sie besorgt?«
    »Am Anfang nicht«, antwortete er.
    »Aber wie haben Sie sich das Interesse des Angeklagten erklärt, wenn Sie nicht besorgt waren?«, drängte Monty weiter.
    »Um ehrlich zu sein, ich weiß nicht, wie leicht es für mich sein wird, Ihre Frage zu beantworten, die Vorgänge auf eine Art zu erklären, dass andere sie verstehen; oder wenn man so will, wie schwer …«
    Da unterbrach er, und Monty nickte, als wollte er Amos ermutigen, es zu versuchen.
    »Fahren Sie fort, bitte …«
    »Ich dachte, wir wären Kollegen. Wir taten beruflich dasselbe, erlebten dieselben Qualen. Es existierte diese Verbindung zwischen uns, darüber hege ich heute keine Zweifel mehr.«
    Als er das hörte, fing Monty an nervös zu werden und scharrte mit den Füßen auf dem PVC -Boden.
    »Können Sie das genauer erklären?«, unterbrach Richter Lorimer, sein Gesicht hellwach, seine Stimme laut und resonant. Das machte Monty noch nervöser, da der Richter bisher noch nie mehr als ein paar Worte herausgepresst hatte, und diese dann nur den Verfahrensregeln gegolten hatten. Amos änderte seinen Blickwinkel, um nun direkt mit dem Richter zu sprechen, der langsam mit dem Kopf nickte und zwischen den Fingerspitzen einen Bleistift drehte.
    »Wir kennen dieselben kleinen Errungenschaften und durchreisen dieselben Winter. Ich weiß nicht, wie Staatsanwälte arbeiten, oder Richter, oder die Mitglieder des Geschworenenausschusses außerhalb des Gerichtssaals, wenn sie rechtschaffen ihren normalen Arbeiten nachgehen. Aber Schriftsteller sind aneinander interessiert, kein Zweifel. Und wir waren nun mal Nachbarn. Ich gebe ihm keine Schuld dafür, dass er Interesse zeigte. Das waren meine Gedanken, als meine Frau und meine Tochter mich über ihn informierten. Ja, ich vermutete, wir hatten Dinge gemeinsam. Ich sah keinerlei Bedrohung darin.«
    Er machte eine bedeutungsvolle Pause. Die Fingerkuppen seiner beiden Hände berührten sich. Er sprach, als hätten wir eine gemeinsame Vergangenheit, als wären wir immer auf demselben Meer gesegelt. Entschuldigte er sich für das, was er getan hatte? Die Art wie er sprach erinnerte mich daran, als wir bei einer Flasche Scotch in seinem Wohnzimmer gesessen hatten, jedenfalls an die erste Hälfte des Gesprächs. »Wenn wir eines Tages geredet hätten, wenn wir uns einander anvertraut hätten, dann wären die Dinge womöglich anders gekommen«, fuhr Amos fort. Seine Augen weiteten sich, als er an die Decke blickte, und es sah so aus, als würde er gedanklich abschweifen. Aber wenige Augenblicke später war er wieder völlig konzentriert. »Nun ja, ich weiß nicht. Das alles bleibt wohl hypothetisch. Denn am Ende weiß ich nicht, was dieses Verbrechen ausgelöst hat. Ich weiß nur, der Neid schläft nicht«, sagte Amos endlich, und da begriff nun auch der Letzte der Geschworenen, was Sache war.
    Monty, sichtlich erleichtert darüber, dass Amos doch auf den Punkt gekommen war, stellte noch ein paar
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