Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Schatten im Norden

Der Schatten im Norden

Titel: Der Schatten im Norden
Autoren: Philip Pullman
Vom Netzwerk:
auch. Ich gehe es morgen für ihn
holen, aber so, wie es aussieht, ist das das geringste
seiner Probleme. Ich meine, wir sollten ihm helfen. « Vor
Mackinnons fragendem Blick schaltete sich Frederick
ein. »Sie sind in Garlands Detektivbüro, Mr. Mackinnon.
Wir haben schon eine Menge Fälle gelöst. Wo drückt
Ihnen der Schuh?« »Ich bin mir nicht sicher, ob... «,
begann Mackinnon. »Ich glaube nicht, dass mein Fall
etwas für ein Detektivbüro ist. Die Sache ist doch sehr,
sehr undurchsichtig. Wirklich... « »Es schadet doch
nichts, wenn wir sie einmal anhören«, sagte Jim. »Es fällt
kein Honorar an, solange wir den Fall nicht übernehmen.
Sie riskieren also nichts dabei. «
    Webster hob die Augenbrauen, als er den kühlen Ton in
Jims Stimme bemerkte. Tatsächlich ärgerte sich Jim
langsam über Mackinnons verstohlene Art, über die
Mischung aus Hilflosigkeit und Verschlagenheit.
    Frederick pflichtete bei. »Jim hat ganz Recht, Mr.
Mackinnon. Ohne Vertrag keine Kosten. Im Übrigen
können Sie sich auf unsere Diskretion verlassen. Alles,
was Sie uns erzählen, bleibt vertraulich. « Mackinnon
schaute zu Frederick, dann zu Webster und wieder
zurück zu Frederick.
    »Also gut«, sagte er. »Ich erzähle Ihnen die Geschichte,
aber ich bin mir nicht sicher, ob ich einen Detektiv
brauche. Das Beste wäre wohl abzuwarten, bis sich der
Sturm gelegt hat. Wir werden sehen. « Er leerte sein
Glas, worauf Webster nachschenkte.
»Sie sprachen von Mord«, soufflierte Jim.
     
»Dazu komme ich noch. Was wissen Sie über
Spiritismus, meine Herren?«
    Frederick hob die Augenbrauen. »Spiritismus?
Komisch, dass Sie mich danach fragen. Ein Herr bat
mich gerade heute, in einer spiritistischen Angelegenheit
zu recherchieren. Ich vermute irgendeinen Betrug
dahinter. «
»Gewiss, nicht selten ist Betrug im Spiel«, räumte
    Mackinnon ein. »Aber es gibt Menschen, die ein
besonderes Gespür für das Psychische haben, und ich
gehöre zu ihnen. Anders, als man vielleicht denken
könnte, ist das in meinem Metier eher hinderlich. Ich
versuche immer, diese beiden Bereiche nicht zu
vermengen. Was ich auf der Bühne mache, scheint Magie
zu sein, aber tatsächlich ist es nur Technik. Jeder könnte
das, eiserne Übung vorausgesetzt. Aber das andere, die
psychische Seite... das ist eine echte Begabung. Was ich
mache, nennt sich Psychometrie. Haben Sie den Begriff
schon einmal gehört?«
    »Ja, gehört schon«, sagte Frederick. »Das so genannte
Medium nimmt einen Gegenstand in die Hand und kann
darüber plötzlich alles Mögliche sagen, ist es so?«
    »Ich führe es Ihnen vor«, sagte Mackinnon. »Haben Sie
irgendeinen geeigneten Gegenstand?«
Frederick langte über die Bank, auf der er saß, und holte
einen handlichen runden Gegenstand aus Messing, der
einer großen Taschenuhr ohne Zifferblatt ähnelte.
Mackinnon nahm ihn, setzte sich aufrecht und hielt ihn
mit beiden Händen vor sich hin, die Augen geschlossen
und die Stirn in angespannter Konzentration. »Ich sehe...
Drachen. Rote, holzgeschnitzte Drachen. Und eine Frau...
Chinesin. Sie hält sich sehr würdig und sehr still, sie
beobachtet nur... Jetzt kann ich einen Mann auf einem
Bett oder Sofa erkennen. Er schläft, nein, er bewegt sich,
er scheint zu träumen. Er ruft etwas... Jetzt kommt
jemand. Ein Diener. Ein Chinese. Er bringt... eine Pfeife.
Er bückt sich nieder... Er holt mit einer dünnen
Wachskerze Feuer von der Lampe... Er zündet die Pfeife
des anderen an. Ein süßlicher Geruch breitet sich aus...
Opium. Da, jetzt ist es wieder weg. «
Er öffnete die Augen und schaute auf. »Es hat etwas mit
Opium zu tun«, sagte er. »Richtig?«
Frederick fuhr sich mit den Händen durch die Haare, es
hatte ihm die Sprache verschlagen. Sein Onkel setzte sich
zurück und lachte, und sogar Jim war beeindruckt --- von
der geheimnisvollen Atmosphäre. Mackinnons
beschwörende Kraft lag ebenso sehr in seiner stillen
Konzentration wie in seinen Worten.
»Sie haben ins Schwarze getroffen«, bestätigte
Frederick, beugte sich vor und nahm den Gegenstand aus
Mackinnons Hand. »Wissen Sie, was das ist?«
»Ich habe keine Ahnung«, sagte Mackinnon. Frederick
drehte einen kleinen, seitlich angebrachten Schlüssel und
drückte auf einen Knopf. Aus dem Inneren der Mechanik
spulte sich ein langer, dünner Streifen aus weißlichem
Metall ab und legte sich in Schlingen auf die Bank vor
ihm.
»Das ist eine Magnesiumdrahtlampe«, erklärte
Frederick. »Man zündet an einem Ende den Draht
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher