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Der Schatten des Schwans

Der Schatten des Schwans

Titel: Der Schatten des Schwans
Autoren: Ulrich Ritzel
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für einen alten Kieberer wie mich.« Ob denn Kovacz überhaupt in der Lage wäre, eine Analyse durchzuführen: »Ihr Laden ist ja auch nicht der neueste.«
    »Täuschen Sie sich da nicht«, sagte Kovacz. »Auch wir gehen mit der Zeit. Es ist ja auch eine faszinierende Sache. Mit der DNS-Analyse können Sie endlich eine Urfrage der Menschheit zuverlässig beantworten.« Berndorf schaute auf.
    »Die Frage, wer Ihr Vater gewesen ist«, sagte Kovacz.
»Aber deswegen sind Sie nicht gekommen. Gekommen sind Sie wegen der Causa Heinz Tiefenbach«, sagte Kovacz: »Woher wussten Sie, dass da etwas faul ist?«
    »Es war der Schnee«, antwortete Berndorf und erläuterte seine bisherigen Vermutungen. »Aber vielleicht hat es gar nichts zu bedeuten.«
    »Ach ja?«, sagte Kovacz, »vielleicht müsste es einfach mehr schneien, und die Fahndungserfolge der Polizei nehmen dramatisch zu. Eigentlich einleuchtend. Doch zum Geschäft.« Kovacs setzte seine Lesebrille auf und holte sich einen Block mit Notizen her.
    »Der Tote war Anfang 50, das stimmt also mit den Personalien überein, die Sie mir genannt haben. Keine äußeren Verletzungen, auch keine nennenswerten Erkrankungen, knapp 1,80 groß, leichtes Übergewicht, beginnende Fettleber. Obstipation. Gestorben ist er daran nicht, sondern an einer Medikamentenvergiftung. An einer Überdosis von Pentobarbital, ein sehr geschätztes Mittel, um sich ins Jenseits zu befördern, vor allem im Zusammenwirken mit Alkohol, dem Tiefenbach gleichfalls nicht abgeneigt war. Aber das wissen Sie vermutlich längst alles.«
    Eigentlich nicht, dachte Berndorf. Kovacz hatte den Hang, seine Auftritte ein wenig zu inszenieren. Wie der Zauberer, der das Kaninchen auch nicht gleich aus dem Zylinderhut holt.
    »Wie genau können Sie den Todeszeitpunkt eingrenzen?«, wollte er wissen.
    »Ach das!«, antwortete Kovacz enttäuscht. Berndorf hatte nicht nach dem Kaninchen gefragt. »Wie ich Ihnen schon sagte: mindestens 40 Stunden vor der Auffindung, höchstens 48. Genauer geht es in dieser Phase nicht.«
    Berndorf hatte einen kleinen Block hervorgeholt und notierte es sich.
    »Übrigens«, sagte Kovacz, und machte eine Kunstpause für das Kaninchen, »ich weiß ja nicht, was Sie an dem Fall
wirklich seltsam finden. Außer den Schnee. Ich finde komisch, was der Mann sonst noch alles im Blut gehabt hat. Es ist, als ob er sich mit einem schweren Guinmihammer langsam hätte zu Tode klopfen wollen.«
    Berndorf blickte gespannt.
    »Der Mann hat nicht nur Pentobarbital genommen«, erklärte Kovacz. »Ich würde an Ihrer Stelle einen Blick in seine Hausapotheke werfen. In seinem Blut sind die handelsüblichen Tranquilizer nachzuweisen, Diazepam beispielsweise, aber auch anderes Zeugs, das nach meinem Dafürhalten nicht einmal den Psychiatern in die Hände gegeben werden sollte, Perazin und Sansopan – Entschuldigung, wissen wir etwas über diesen Toten? Vielleicht, ob er depressiv war?«
    »Wir wissen absolut gar nichts«, antwortete Berndorf. »Davon abgesehen, dass er geschieden war.«
    »Ich dachte nur«, meinte Kovacz. »Diese Medikamente, die er genommen hat, sind Stimmungsaufheller. Wer sie nimmt, dem fällt zwar noch immer die Decke auf den Kopf, aber er sieht sie in einem freundlichen Licht.«
    Beide schwiegen. Kovacz hatte angekündigt, dass irgendetwas merkwürdig sei. Die mutmaßlichen Depressionen des Toten waren das wohl kaum, dachte Berndorf.
    »Es ist wie mit dem Auto, das er gefahren hat, als er schon über dem Jordan war«, sagte der Gerichtsmediziner schließlich. »Umgebracht hat ihn das Pentobarbital. Aber als er es nahm, muss er von dem anderen Zeug so rammdösig gewesen sein, dass ich mich wundere, wie er es hat nehmen können.« Das Kaninchen, dachte Berndorf.
    »Aber geschluckt hat er es doch?«
    »Aufgelöst mit Tee und Rum«, antwortete Kovacz. »Übrigens hat er gesabbert. Einiges von dem Gemisch ist ihm nämlich übers Kinn hinuntergelaufen. Im Hemd und Unterhemd finden Sie ziemlich viel Flecken.«
    »Und wo genau?«
    »Komisch, dass Sie das fragen«, sagte Kovacz. »Ich hab’
mich zunächst auch gewundert. Die Flecken sind im Kragen und auf der Rückseite. Er lag auf dem Rücken, als er das Zeug trank.« Berndorf runzelte die Stirn. »Es ist ihm also eingeflößt worden.«
    »Anders ging es ja nicht«, antwortete Kovacz. »Der Mann war so voll gepumpt mit Chemie, dass er sich ganz gewiss keinen Tee mehr gekocht hat. Wenn Sie so wollen: Er lag in einer Art künstlichem Dauerschlaf.«
     
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