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Der Schatten des Horus

Der Schatten des Horus

Titel: Der Schatten des Horus
Autoren: Thilo P. Lassak
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dreckig, hektisch und voll von abgerissenen Menschen, die sich wie von schlechtem Gewissen über ihre Armut geplagt durch die verstopften Straßen schoben.
    »Das ist die Gerechtigkeit der sogenannten Ersten Welt«, presste Rascal hervor, die sich scheinbar ähnliche Gedanken gemacht hatte. »Wenn wir Nordamerikaner in Acapulco oder Cancún Urlaub machen wollen, dann benötigen wir nicht viel mehr als unseren Pass. Für die meisten Mexikaner ist es aber unmöglich, New York zu besuchen. Die Übergänge der Grenzstädte sind rund um die Uhr scharf bewacht, aber natürlich nur in eine Richtun g …«
    » Gillow, Isabel la Católica 17 «, verkündete der Mexikaner nach einer knappen Dreiviertelstunde und hielt am Straßenrand. Sid reichte ihm seine letzten zehn Dollar nach vorne. Als er in dem Gesicht Anzeichen von Protest bemerkte, drehte er seine Taschen um. Dieses Zeichen schien man überall auf der Welt zu verstehen. Wütend knallte der Fahrer ihr Gepäck auf den Bürgersteig, legte den Rückwärtsgang ein und knatterte davon.
    » Cabrón! «, schimpfte Rascal hinter dem Auto her.
    »Wir haben jetzt keinen Cent mehr«, erklärte Sid und schulterte seinen Rucksack. »Sollen wir wirklich einchecken?«
    Rascal lachte. »Willst du lieber auf der Straße schlafen? Irgendwas wird uns schon einfallen.« Es klang entschlossen wie immer, aber ihr schiefer Mund schien doch zu verraten, dass auch sie ein wenig zweifelte.
    Sid gefiel die Unterkunft, die Rascal ausgesucht hatte. Das Gillow war 1875 als Mönchskloster entstanden, wie eine Informationstafel am Empfang erklärte, und später zu einem Hotel umgebaut worden. Obwohl mittlerweile sehr modern, hing noch immer eine abgestandene Frömmigkeit zwischen Mauern und Tapeten, fand Sid. Ihr Zimmer aber war nicht zu vergleichen mit dem Loch, in dem sie in Kairo gewohnt hatten. Mit einem Mal spürte er die Strapazen der langen Reise in allen Knochen und ließ sich einfach vornüber auf das mit weißem Leinen bezogene Doppelbett fallen. Sie waren gegen die Zeit gereist, wenn die Datumsanzeige umschlug, würden sie einen Zweiunddreißigstundentag hinter sich gebracht haben. Trotzdem gönnte Rascal ihm nur ein paar Sekunden in der süßen Schwerelosigkeit zwischen Schlaf und Wachsein.
    »Ich weiß inzwischen, welcher Volksstamm in Mittelamerika den Ton angab, als unser Mann aus Ägypten hierherkam: keiner!« Sid öffnete die Augen und drehte sich zu ihr um. Rascal inspizierte die Telefondose. Es gab keinen Port für ihr Modemkabel, das sie in der Hand hielt. Ohne zu zögern riss sie die Dose aus der Wand und biss den Stecker vom Kabel. Die feinen Drähte zwirbelte sie zusammen. Sichtlich mit sich zufrieden warf sie ihr Notebook an.
    »Du warst nicht zufällig früher mal Geheimagent?«, fragte Sid ungläubig.
    Rascal lachte. »Nein, aber Bewohnerin der South Bronx. Da lernt man allerhand nützliche Ding e – sicher mehr als in deiner Schule!« Unverhofft wurde sie wieder ernst. »Rund um das Jahr 1500 vor Christus, also genau zu dem Zeitpunkt, wo die gesuchte Sternenkonstellation am Himmel stand, änderte sich das schlagartig. Wie aus dem Nichts tauchte plötzlich ein Stamm auf, der über höchst erstaunliche Fähigkeiten verfügte. Quasi über Nacht.«
    Rascal googelte ein paar Suchbegriffkombinationen rund um das Wort Olmeken. »Hier!« Sie deutete auf den Bildschirm. Sid las.
    Die Zentren der Olmeken La Venta, Tres Zapotes und San Lorenzo Tenochtitlán lagen an der südlichen Golfküste Mexikos in den heutigen Bundesstaaten Tabasco und Veracruz. Sie wurden vielfach als die Träger der Mutterkultur Mesoamerikas angesehen. Die Anfänge von Schrift und Kalenderrechnung sowie die Errichtung von Tempelpyramiden in Amerika werden ihnen zugerechnet. Warum ist es gerade hier zur Ausbildung der ersten Hochkultur des Kontinents gekommen? Entscheidend dürfte der Übergang vom Nomadentum zum Ackerbau gewesen sein. Dieses Gebiet ist von zahllosen Flüssen durchzogen, die eine natürliche Düngung gewährleisteten, und somit fruchtbare Felder garantierten. Ähnlich begünstigt war das Niltal.
    Pyramid e … Nilta l …
    Die beiden Worte flimmerten immer noch vor Sids Augen, als er sich längst weggedreht hatte. »Was bedeutet das?«
    Rascal stieß scharf die Luft aus. »Das bedeutet, dass wir mal so eben die Menschheitsgeschichte neu schreiben. Lass uns spinne n …« Sie warf sich neben Sid aufs Bett und starrte an die Decke. »Was wissen wir?«
    Sids Lippen bewegten sich wie von selbst.
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