Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Schatten aus der Zeit

Der Schatten aus der Zeit

Titel: Der Schatten aus der Zeit
Autoren: Howard P. Lovecraft
Vom Netzwerk:
vermeintlichen Spuren gesehen hatte, fürchtete ich mich vor nichts so sehr wie vor dem geringsten Lärm. Daß ich diesmal auch den Behälter durch den engen Spalt zerren mußte, verstärkte noch meine Besorgnis.

    Aber ich erklomm das Hindernis recht und schlecht und schob zuerst den Behälter durch die Öffnung. Dann, mit der Taschenlampe im Mund, kroch ich selbst durch wobei mir wieder die Stalaktiten den Rücken zerkratzten.

    Als ich versuchte, den Behälter wieder an mich zu nehmen, entglitt er mir und schlug ein Stück weiter unten auf die Steine auf; das Gepolter weckte Echos, die mich in kalten Schweiß ausbrechen ließen.

    Ich sprang ihm sofort nach und bekam ihn zu fassen, ohne noch mehr Lärm zu machen. Aber einen Augenblick später verursachten die unter meinen Füßen wegrutschenden Steinbrocken ein plötzliches, beispielloses Getöse. Dieses Getöse war mein Verderben. Denn gleich darauf glaubte ich zu hören, wie es irgendwo hinter mir auf fürchterliche Art beantwortet wurde.

    Ich meinte einen schrillen, pfeifenden Ton zu hören, der keinem irdischen Geräusch glich und mit Worten nicht zu beschreiben ist. Falls ich mir diesen Ton nur eingebildet hatte, so lag eine grimmige Ironie in den gleich darauffolgenden Ereignissen; denn ohne meine Panik über diese erste Erscheinung hätte all das, was ihr folgte, nicht zu passieren brauchen. So aber verfiel ich in grenzenlose, durch nichts gemilderte, rasende Angst.

    Ich packte die Taschenlampe, umklammerte mit letzter Kraft den Behälter und stürzte Hals über Kopf los, unfähig, an etwas anderes zu denken als an meinen verzweifelten Wunsch, so schnell wie möglich aus diesen gespenstischen Ruinen hinauszukommen in die greifbare Welt der Wüste und des Mondscheins, die so weit über mir lag.

    Ich merkte es kaum, als ich den Trümmerberg erreichte, der in den ungeheueren dunklen Raum über dem eingestürzten Dach emporragte, und stieß und schnitt mich mehrmals, während ich den steilen, aus scharfkantigen Blöcken und Splittern gebildeten Abhang erklomm. Dann kam das Desaster. Als ich in blinder Hast den Gipfel erreicht hatte, bemerkte ich nicht, daß es gleich wieder schroff abwärts ging, glitt aus und war augenblicklich in einer rapide anwachsenden Lawine abwärts polternder Steinbrocken, deren donnerndes Getöse in der schwarzen Kellerluft in einer ohrenbetäubenden Serie erdbebenhafter Erschütterungen nachhallte.

    Ich kann mich nicht daran erinnern, wann und wie ich diesem Chaos entfloh, aber in einem flüchtigen Augenblick des Bewußtseins sehe ich mich inmitten des Höllenlärms durch den Korridor stürzen und stolpern und klettern noch immer mit Taschenlampe und Behälter.

    Dann, gerade als ich auf jene urzeitliche Basaltkrypta zukam, vor der ich mich so fürchtete, faßte schiere Raserei mich an. Denn als der Nachhall der Steinlawine verklungen war, hörte ich wieder dieses unheimliche, fremdartige Pfeifen. Diesmal gab es keinen Zweifel und was das Schlimmste war, es kam nicht von hinten, sondern aus irgendeiner Richtung vor mir. Wahrscheinlich habe ich in diesem Moment laut aufgeschrien.

    Verschwommen sehe ich mich durch das höllische Basaltgewölbe fliehen, verfolgt von dem widerwärtigen, fremdartigen Pfeifton, der aus der offenen, unbewachten Tür zu den endlos tiefen schwarzen Abgründen heraufdrang. Es wehte auch ein Wind -nicht bloß ein kühler, feuchter Luftzug, sondern ein starker, tükkischer Sturm, der aus diesem widerwärtigen Loch hervorbrach, aus dem auch die unheimlichen Pfeiftöne kamen. Ich erinnere mich, wie ich über Hindernisse aller Art hinwegtaumelte, während hinter mir der tobende Sturm und das schrille Pfeifen immer mehr anschwollen und zielbewußt und bösartig nach mir zu schnappen schienen.

    Obwohl er von hinten kam, hatte dieser Wind die merkwürdige Eigenschaft, meinen Lauf zu behindern, anstatt ihn zu beschleunigen, gerade so, als hätte jemand von hinten eine Schlinge oder ein Lasso über mich geworfen. Ohne auf den Lärm zu achten, den ich verursachte, kletterte ich über eine Barriere aus Steinblöcken und befand mich wieder in dem Gemäuer, aus dem der Weg zur Oberfläche führte.

    Ich entsinne mich, daß ich den Seitengang zu dem Maschinenraum sah und beinahe aufschrie, als ich die Rampe bemerkte, die zu der Stelle zwei Geschosse weiter unten hinabführte, wo eine dieser blasphemischen Falltüren offenstehen mußte. Aber anstatt laut zu schreien, stammelte ich immer wieder vor mich hin, daß dies
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher