Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Schatten aus der Zeit

Der Schatten aus der Zeit

Titel: Der Schatten aus der Zeit
Autoren: Howard P. Lovecraft
Vom Netzwerk:
Stelle, vor der ich mich fürchtete.

    Als ich mich ihr näherte, fiel mir wieder ein, was die Ursache meiner Angst war. Es war eine jener mit Metallbändern verschlossenen, scharf bewachten Falltüren. Jetzt würden dort keine Wächter stehen, und deshalb ging ich auf Zehenspitzen, so wie ich es getan hatte, als ich das schwarze Basaltgewölbe durchquert hatte, in dem ähnliche Falltüren gegähnt hatten. Ich spürte einen kühlen, feuchten Luftzug, wie ich ihn auch dort gespürt hatte, und wünschte, daß mein Weg mich nicht daran vorbeigeführt hätte. Warum ich gerade diesen Weg gehen mußte, wußte ich nicht.

    Als ich die Stelle erreicht hatte, sah ich, daß die Falltüre gähnend weit offenstand. Weiter vorne begannen wieder die Regale, und vor einem bemerkte ich auf dem Boden einen Haufen herabgefallener Behälter, der nur mit einer sehr dünnen Staubschicht bedeckt war. Im selben Augenblick überlief mich eine neue Welle panischer Angst, obwohl ich eine Weile nicht wußte, weshalb.

    Solche Haufen herabgefallener Behälter waren nicht selten, denn Jahrtausende hindurch war dieses lichtlose Labyrinth von Erdbeben erschüttert worden und hatte vom ohrenbetäubenden Dröhnen umstürzender Objekte widergehallt. Erst als ich näherkam, wurde mir klar, warum ich so heftig zitterte. Nicht dieser Haufen, sondern etwas im Staub auf dem ebenen Fußboden beunruhigte mich. Im Licht meiner Taschenlampe schien es, als sei diese Staubschicht nicht so flach wie sonst es gab Stellen, wo sie dünner aussah, so als sei sie erst vor einigen Monaten aufgewühlt worden.

    Ich war mir aber nicht sicher, denn auch die anscheinend dünneren Stellen waren genügend staubbedeckt; doch der Argwohn einer gewissen Regelmäßigkeit in diesen eingebildeten Unebenheiten war höchst beunruhigend.

    Als ich eine der seltsamen Stellen aus nächster Nähe beleuchtete, sah ich etwas, das mir gar nicht gefiel denn der Eindruck der Unebenheit verstärkte sich beträchtlich. Es war mir, als sähe ich regelmäßige Reihen von zusammengesetzten Abdrücken -von denen immer drei beieinander lagen, jeder über einen Fuß im Durchmesser und aus fünf annähernd kreisförmigen, drei Zoll großen Abdrücken bestehend, von denen jeweils einer vor den übrigen vier lag.

    Diese von den großen Abdrücken gebildeten Linien schienen in zwei Richtungen zu führen, als ob etwas irgendwohin gegangen und dann zurückgekehrt sei. Die Spuren waren natürlich sehr schwach und konnten auf Einbildung oder Zufall beruhen; aber ein unheimliches, tastendes Grauen erfüllte mich, als ich zu sehen glaubte, woher sie kamen und wohin sie führten. Denn an ihrem einen Ende war der Haufen von Behältern, die vor nicht allzu langer Zeit herabgefallen sein mußten, und an ihrem anderen Ende war die ominöse Falltüre mit dem kühlen, feuchten Wind, die sich in unvorstellbare Abgründe öffnete.

    Wie tief und überwältigend das seltsame Gefühl des Zwanges war, zeigt die Tatsache, daß es sogar meine Furcht überwand. Kein vernünftiges Motiv hätte mich weiterziehen können nach dieser fürchterlichen Entdeckung und angesichts der schleichenden Traumerinnerungen, die sie weckte. Und doch machte meine rechte Hand, obwohl sie vor Angst zitterte, weiter diese rhythmische Bewegung, war sie weiter darauf erpicht, an einem Schloß zu drehen, das sie zu finden hoffte. Bevor ich wußte, was ich tat, war ich an dem Haufen herabgefallener Behälter vorbeigegangen und rannte auf Zehenspitzen weiter durch die von völlig unberührtem Staub bedeckten Gänge auf eine Stelle zu, die ich grauenhaft gut zu kennen schien.

    Insgeheim stellte ich mir Fragen, deren Herkunft und Bedeutung ich erst allmählich zu erahnen begann. Würde die Kammer für einen menschlichen Körper erreichbar sein? Konnte meine Menschenhand all die aus Urzeiten erinnerten Drehungen des Schlosses beherrschen? Würde das Schloß unbeschädigt und funktionsfähig sein? Und was würde ich tun zu tun wagen -, wenn ich das gefunden hatte, was ich wie mir jetzt klar wurde zu finden gleichzeitig hoffte und fürchtete? Würde es die unheimliche, sinnverwirrende Wahrheit von etwas beweisen, das jenseits aller Vorstellungskraft lag, oder würde es nur zeigen, daß ich träumte?

    Das nächste, woran ich mich erinnere, ist, daß ich plötzlich zu laufen aufgehört hatte, wie angewurzelt vor einer Reihe von Regalen stand und auf die unheimlich vertrauten Hieroglyphen starrte. Sie waren fast völlig erhalten, und nur drei Türen
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher