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Der Schatten aus der Zeit

Der Schatten aus der Zeit

Titel: Der Schatten aus der Zeit
Autoren: Howard P. Lovecraft
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alles ein Traum sei, aus dem ich bald erwachen müsse. Vielleicht war ich im Lager vielleicht war ich zu Hause in Arkham., Während ich mich mit solchen Hoffnungen zu beruhigen versuchte, begann ich, die Rampe zu dem oberen Geschoß hinaufzusteigen.

    Ich wußte natürlich, daß ich noch den vier Fuß breiten Spalt überqueren mußte, war aber zu sehr von anderen Ängsten gepeinigt, um mir dieses Schreckens voll bewußt zu werden bis ich fast davor stand. Beim Abstieg war der Sprung über den Spalt leicht gewesen aber konnte ich ihn jetzt ebenso leicht überwinden, da ich aufwärts springen mußte und außerdem durch das Gewicht des Metallbehälters, durch meine Furcht, meine Erschöpfung und das widernatürliche Zerren des dämonischen Windes behindert war? An all diese Dinge dachte ich erst im letzten Moment, und ich dachte auch an die namenlosen Wesen, die in den schwarzen Tiefen unter dem Spalt lauern konnten.

    Meine Taschenlampe begann zu flackern, doch irgendeine dunkle Erinnerung sagte mir, daß ich mich dem Spalt näherte. Die eisigen Windstöße und die ekelerregenden Pfeiftöne hinter mir
    wirkten einen
    Augenblick lang fast wie ein barmherziges Beruhigungsmittel, das meine Sinne für die Schrecken des vor mir klaffenden Spalts betäubte. Und dann bemerkte ich die zusätzlichen Windstöße und Pfeif töne, die von vorne kamen Wellen des Abscheus, die durch eben diesen Spalt aus nie erahnten und nie zu erahnenden Tiefen heraufdrangen.

    Jetzt fürwahr packte mich nacktes Entsetzen. Jegliche Vernunft verließ mich und ohne irgend etwas anderes zu beachten als den animalischen Trieb zur Flucht, stürmte und kletterte ich über die Trümmer des Abhangs nach oben, als gebe es den Spalt überhaupt nicht. Dann sah ich den Rand der Kluft, sprang mit aller Kraft und versank augenblicklich in einem pandämonischen Strudel widerwärtigster Geräusche und äußerster, physisch spürbarer Finsternis.

    Dies ist das Ende meines Erlebnisses, soweit meine Erinnerung reicht. Alle weiteren Eindrücke gehören eindeutig in das Reich deliriöser Phantasmagorien. Traum, Wahnsinn und Erinnerung verschmolzen wild zu einer Reihe phantastischer, bruchstückhafter Wahnvorstellungen, die keine Beziehung zu irgendwelchen realen Dingen haben können.

    Ich fiel durch unermeßliche Tiefen zähflüssiger, fühlbarer Dunkelheit und ein Gewirr von Geräuschen, die völlig anders waren als alle, die wir von der Erde und ihrem organischen Leben kennen. Ruhende, verkümmerte Sinne schienen in mir zu neuem Leben zu erwachen und berichteten mir von Höhlen und Schlünden, die von schwebenden Ungeheuern bevölkert waren und zu sonnenlosen Klippen und Ozeanen und wimmelnden Städten fensterloser Basalttürme führten, die nie ein Lichtstrahl getroffen hat.

    Geheimnisse des urzeitlichen Planeten und seiner unermeßlichen Äonen durchzuckten mein Gehirn ohne die Hilfe von Gesicht oder Gehör, und ich wußte Dinge, die ich auch in den wildesten meiner früheren Träume nicht erahnt hätte. Und die ganze Zeit umklammerten mich die kalten Finger feuchten Dampfes, und dieses unheimliche, abscheuliche Pfeifen schrillte dämonisch durch all die Wechsel von Höllenlärm und Stille in den Strudeln der Dunkelheit.

    Später kamen Visionen von der zyklopischen Stadt meiner Träume nicht in Ruinen, sondern so, wie sie in meinen Träumen gewesen war. Ich war wieder in meinem kegelförmigen, nichtmenschlichen Körper und mischte mich unter die Scharen der Großen Rasse und der gefangenen Geister, die in den hohen Korridoren und auf den riesigen Rampen Bücher hin und her trugen.

    Dann erschienen, diesen Bildern überlagert, schreckliche, flüchtige Momente nichtvisuellen Bewußtseins, mit verzweifelten Kämpfen, einem Losreißen von krallenden Tentakeln eines heulenden Windes, einem wahnwitzigen, fledermausartigen Flug durch halbstoffliche Luft, einem fieberhaften Wühlen durch zyklongepeitschte Finsternis und einem wilden Stolpern und Klimmen über eingestürztes Mauerwerk.

    Einmal kam eine merkwürdige, blitzartige Andeutung von etwas Sichtbarem ein schwacher, diffuser Schimmer bläulichen Lichts weit oben. Dann kam ein Traum von windverfolgtem Kriechen und Klimmen und ich tauchte in den Glanz eines sardonischen Mondlichts ein, während hinter mir der Haufen von Trümmern, über den ich herauf gekrochen war, in einem gewaltigen Wirbelsturm zusammenbrach und verschwand. Es war das bösartige, monotone Klopfen dieses sinnverwirrenden Mondlichts, das mir
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