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Der Schädelring: Thriller (German Edition)

Der Schädelring: Thriller (German Edition)

Titel: Der Schädelring: Thriller (German Edition)
Autoren: Scott Nicholson
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Nacht geträumt?“
    Julia starrte an Dr. Forrest vorbei auf das Bild, das die Wand des Büros dominierte. Es war ein abstraktes Gemälde in orangen, braunen und roten Farbtönen mit gezackten Rändern. Aufeinandergehäufte Dreiecke, zerfetzte Quadrate mit ausgefrästen und vergewaltigten Winkeln. Ein Kunstwerk, das beunruhigte statt zu besänftigen.
    Dr. Lanze hatte Landschaftsbilder bevorzugt, weniger professionelle Gemälde von der Art, wie man sie in den Malkursen für Anfänger sehen konnte. Scheunen und Weiden, Bäche und Zäune. Keine Menschen. Keine Bedrohung. Nur die schlichte, langweilige Natur.
    „Julia?“
    „Oh, Entschuldigung.“ Julia schaute zur Therapeutin hin. Pamela Forrest lächelte weise; ihre Brille saß auf der Nasenspitze. Sie war so um die Vierzig, gut gekleidet, niedrige Absätze und einen kurzen, modernen Haarschnitt. Sie saß bequem in ihrem Ledersessel. Das gepflegte Büro war die äußerliche Manifestation ihrer ordentlichen Denkweise.
    Und nun untersuchte Julia wieder einmal ihre Therapeuten und verglich deren Mängel.
    Dr. Forrest nickte ihr aufmunternd zu. „Sie sind etwas abwesend heute. Woran haben Sie soeben gedacht?“
    Julia überlegte sich, ob sie lügen sollte, aber dann wäre sie tatsächlich übergeschnappt. Wenn man nicht einmal seiner Therapeutin trauen konnte, wem konnte man dann sonst vertrauen?
    „Ich hatte eine Episode“, sagte Julia. „Als ich heute Morgen nach Hause kam, dachte ich . . . ich glaubte, ich hätte die Haustür abgeschlossen. Sie war jedoch offen.“
    „Offen?“
    „Na, ja, nicht gerade offen, aber nicht abgeschlossen.“
    „Und was für ein Gefühl hat das in Ihnen ausgelöst?“
    „Ich hatte Angst.“
    „Angst wovor?“
    Julia senkte den Kopf und betrachtete ihre Hände. „Ich weiß nicht.“
    „Ich glaube, Sie wissen es.“
    „Er. Es. Der Unhold.“
    „Aha.“ Dr. Forrest lehnte sich im Stuhl nach vorn. „Sie glaubten, der Kerl hätte die Tür aufgeschlossen und wartete drinnen.“
    „Ja.“
    „Und war einer drinnen?“
    „Nein. Aber es wäre ja möglich gewesen.“
    „Und was hätte dieser Kerl getan?“
    „Ich weiß nicht.“
    „Doch, Sie wissen es. Das können Sie sich leicht vorstellen.“
    Julia hasste es, daran denken zu müssen. Die Vorstellung war fast ebenso schmerzhaft wie es die tatsächliche Handlung sein würde oder war. Wenn sie jedoch die Szene durchspielte, wäre Dr. Forrest zufrieden mit ihr. Julia brauchte jemanden, der zufrieden mit ihr war.
    So konzentrierte sie sich darauf, wie der Angriff stattgefunden hätte. Die Furcht jenes Morgens übermannte sie so stark wie beim ersten Mal. Sie umklammerte die Armlehnen ihres Stuhls, bis ihre Finger weiß wurden. „Bitte tue mir nicht weh“ ,  stieß sie zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor. Mit jedem Wort spürte sie beinahe das Stoßen des Messers.
    „Ja, gut so“, sagte Dr. Forrest mit dunkler, drängender Stimme. „Lassen Sie es heraus, erleben Sie es wieder. Bringen Sie die Angst zum Vorschein und schauen Sie ihr ins Gesicht.“
    „Er hat mich“, sagte Julia. Sie hielt die Augen geschlossen, ihr Körper war schweißgebadet, ihre Brust schmerzte vom heißen Messer. Sie sah, wie sich das Blut auf dem Wohnzimmerteppich ausbreitete.
    „Können Sie sein Gesicht sehen?“
    „Nein.“
    „Versuchen Sie es.“
    „Ich versuche es“, flüsterte sie. Obwohl sich der Duft der Chrysanthemen, die in einer Vase auf dem Pult der Therapeutin standen, im Zimmer ausbreitete, hätte Julia schwören können, dass es nach Rauch roch.
    „Strengen Sie sich an. Wenn Sie ihn sehen können, werden Sie etwas Macht über ihn gewinnen.“
    „Ich . . .“ Im Nebel ihrer Imagination verfestigten sich die Gesichtszüge des Unholds beinahe. Der Handwerker? Mitchell? Der Student, der sie gestern von der anderen Straßenseite her beobachtet hatte? Oder war es älter, älter als sie, so alt wie die Zeit selbst?
    „Wer ist es? Wer hat diese Angst in Ihr Leben gebracht?“
    Julia schoss vom Stuhl hoch und ging zum Fenster. Sie schritt im Zimmer ruhelos hin und her und rieb sich die Oberarme. Sie keuchte vor Aufregung und war gleichzeitig erschöpft.
    Dr. Forrest ging auf sie zu und legte ihr eine Hand auf die Schulter. „Es ist okay, Julia. Ich weiß, wie schmerzhaft es ist. Glauben Sie mir, wenn ich einen anderen Weg wüsste, wie Sie damit fertig werden könnten, würde ich es versuchen. Sie weigern sich jedoch, Klonopin und Prozac zu nehmen und –“
    „Keine Drogen“, sagte
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