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Der Saubere Tod

Titel: Der Saubere Tod
Autoren: Michael Kleeberg
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nichts, hä, Herbert, sag auch mal was. Wissen Sie, Herbert ist Hauptfeldwebel und hat einen sicheren Job beim Bund, das ist weiß Gott auch nicht schlechter wie Elektriker, wie Papa einer ist, oder Gastwirt, nicht wahr, Herbert?
    Herbert Ehlers setzte sich gerade auf seinen Stuhl. Jeder so, wie er kann. Die Zeit beim Bund war jedenfalls auch für den Peter gut. Danach wußte er, was er wollte.
    Peters Mutter begann wieder zu schluchzen. Ihr massiger Körper schutterte, die hochtoupierte Frisur zitterte ein wenig, und der dünne Stuhl knackte unter den zuckenden Bewegungen.Niemand sagte etwas, und in die Stille hinein klang es desto lauter, als Frauke Ehlers die Nase hochzog. Ihre Tochter in dem blauen Anorak war auf die Knie gefallen und begann laut zu heulen, um die Schluchzer ihrer Großmutter zu übertönen. Eine Weile war nur das Weinen der Frau und das des Kindes zu hören. Dann schneuzte sich Meier laut und wandte sich an Barbara: Wissen Sie, junge Frau, mein Arbeitgeber, also die Firma Gebrüder Schwalb bei uns in Münster, da, wo ich Elektriker bin, die hat mir sofort und ohne Zögern zwei Tage freigegeben, damit ich mich um – um die Sache kümmern kann.
    Friedrich! rief seine Frau, das interessiert das Fräulein doch überhaupt nicht.
    Aber ihr Mann ließ sich nicht unterbrechen. Und da dachte ich, fuhr er fort, nehme ich die ganze Familie mit, verstehen Sie mich nicht falsch, junge Frau, es ist traurig genug, aber andererseits, so kommt die Familie auch mal raus, und Berlin, verstehn Sie mich nicht falsch, wann sieht man das schon noch mal –
    Friedrich!! schluchzte seine Frau auf. Du redest von dieser Stadt hier, wo sie ihn umgebracht haben! Ich hasse diese Stadt hier, ich hasse diese Stadt hier, hörn Sie, wenn ich diese Stadt kaputtschlagen könnte, um meinen Jungen wiederzubekommen, ich, ich ließe keinen Stein auf dem andern, hier ham sie ihn mir weggenommen, die Stadt hat ihn mir weggenommen, Sodom und Gomorrha   – Sie schluchzte laut auf und wimmerte jetzt hemmungslos mit weit offenem Mund und zusammengekniffenen Augen, und die Erschütterungen lösten eine Strähne aus dem hochtoupierten Haar, die an der Wange herabbaumelte. Der Lärm hielt die kleine Franziska dazu an, auch ihre Anstrengungen zu verdoppeln, bis ihre Mutter sie mit einem Schlag der flachen Hand auf den Mund zum Schweigen brachte.
    Aber Mutter, sagte Herbert und streckte dabei seinenRücken, Vater meint doch nur, daß wir so noch mal oder besser auch mal sehen, wo der Peter sein Leben verbracht hat, nur daß man sich im nachhinein, verstehst du, noch ein wenig eine Vorstellung davon machen kann, und dann ist es ja auch wirklich so, du weißt nicht, wie lange du noch hierherkommen kannst, wo der Russe direkt hinter der Mauer steht. Hast du die russischen Kasernen gesehen vor der Stadt, wie da der Soldat gehalten wird, muß er ja aggressiv werden.
    Hör doch auf mit deinen Russengeschichten, sagte Frauke. Dann hielt sie ihrer Tochter ein Taschentuch vor das gerötete Gesicht und ließ sie ausschnauben. Wir müssen jetzt ohnehin mal in seine Wohnung und sehn, was man vielleicht mitnehmen könnte.
    Die Polizei hat die Wohnung überhaupt noch nicht freigegeben, sagte ihr Mann.
    Die können mir doch nicht verbieten, die Sachen von meinem Bruder mitzunehmen, sagte Frauke mit vorgestrecktem Kinn.
    Wie auch immer, meinte Meier zu Barbara, wir haben Sie hier lange genug belästigt, junge Frau. Es gibt ja leider Gottes jetzt genug Praktisches zu erledigen. Kennen Sie eigentlich den Kerl, ders getan hat.
    Barbara schüttelte den Kopf.
    Warum? frage ich Sie. Warum. Warum macht einer so was? Und warum unsern Peter? Können Sie mir das sagen? Ich frage Sie, warum? Warum, warum unsern Sohn? Unsern Sohn, der nie jemandem etwas getan hat, der, um was zu werden, in die Großstadt, ist er denn, können Sie mir das sagen, ist er in die falschen Kreise geraten, Gastwirt, das machen doch heute hauptsächlich die Ausländer, der Italiener, der Türke, hat er da, ist er da in die falschen Kreise geraten, warum sollte denn jemand den Peter umbringen, warum, frage ich Sie?
    Er fuchtelte mit den Händen in der Luft herum, ließ siedann fallen, hob die eine wieder, um den jetzt tiefgebeugten Nacken zu kratzen, und schneuzte sich dann laut in sein Taschentuch und tupfte die nassen Augen damit ab.
    Frauke Ehlers stand zuerst auf.
    Die zwei Paare in Trauerkleidung und das kleine Mädchen im marineblauen Anorak verließen die Wohnung. Meier zögerte noch
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