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Der Sang der Sakije

Titel: Der Sang der Sakije
Autoren: Willi Seidel
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verschlagen. Bei einem von ihnen, Jali, wächst sie auf, bis sie eines Tages vor dem »Manne« flieht. Und nun singt Seidel das Lied des Blutes, des urmächtigen Instinkts, der, halb verschüttet, halb traumhaft ein lichtes weißes Wesen gleich ihr zu schauen vermeint. Von dem Kannibalen läuft sie durch den Urwald diesem Oro genannten Traumbild bis ans Meer nach, und dieser Lauf ist begleitet von einem Hohenlied auf die Vielfältigkeit der Urwaldnatur, auf brausende Geräusche, schattige Höhlen, zauberhafte Pflanzen, Sonne, Tiere, Leben. Am Meer scheint ein Schiff mit Oro zu nahen, es entschwindet, und damit reißt in Weißvogel – so nennt man sie – alles, was sie mit ihrer europäischen Vergangenheit verknüpfte. Ihre Seele ist tot, sie wird nun vollends eine Wilde.In dieser Arbeit rührt Seidel bereits an ein Problem, das ihn später, als ihn ein Verlag wirklich in den Orient sandte, noch in ganz anderer Form beschäftigte, das Problem der Beziehungen zweier grundverschiedener Rassen. Die Frucht dieser Reise war der »Sang der Sakije«, auf Grund dessen der Autor nunmehr mit Förderung des Auswärtigen Amtes eine weitere Reise, diesmal nach der deutschen Kolonie Samoa antrat. Dort spielt sein Roman »Der Buschhahn« (1921), den er in Amerika vollendete, wohin er bei Kriegsausbruch der englischen Besatzung auf Samoa entschlüpfte. Auch hier und in seinem nächsten Werk »Der neue Daniel« (1922), das seinen eigenen erzwungenen Aufenthalt in Nordamerika während des Krieges schildert, rührt er an das Rassenproblem, hier schon mehr in der Richtung, wie es etwa Heinrich Mann in »Zwischen den Rassen« und Hermann Bang in »Die Vaterlandslosen« taten. Dann folgten 1922 »Das älteste Ding der Welt«, ein phantastisch-symbolische Erzählung, und 1924 »Der Gott im Treibhaus«, ein Zukunftsmärchen.
    Im »Neuen Daniel« stellt Seidel einen Deutschen, einen feinen jungen Gelehrten und seine englische Gefährtin gegen die brutale Welt amerikanischer Seelenarmut. Er zeigt die Qualen dieses völlig Isolierten, dieses neuen Daniels in der Löwengrube in einem kleinen Kurort, wohin ihn der Zufall und die Überredungskraft eines wofremde Volksseele hat dieser Roman allgemeingültigere Bedeutung als schlechthin eine erotische Erzählung, ein origineller Bericht oder eine Studie. Denn hier ist das Leben, das glühende, rasende Leben in einem Ausschnitt des Ägypten von heute eingefangen, mit den Augen eines Poeten gesehen und sprachlich meisterhaft gestaltet, und hier ist mit visionärer Sicherheit die feine Grenzlinie gezogen, bis zu der die Beziehung der braunen zur weißen Rasse geht und gehen wird.
    Kurt Merlaender .
Zur neuen Ausgabe
    Port Said, im September 1925
    Welche Wiedersehns-Beklemmung erfaßt mich hier, an der Tür des ägyptischen Orients! Denn genau so nahte er damals heran! – Viereckige Segel hingesprenkelter Fischerboote, schaukelnd in friedlicher Pärchen-Eintracht; – herübergeirrte Hornisse, zitronengelb schnurrend hinter runder Scheibe des »Stierauges«; zarte Silberstiftstriche dreier Schornsteine, auf weißem Faden aufgereiht! – So meldet sich der Koloß Afrika. Dann kommt dies unendlich klarfarbige und plastische Gewimmel, der äußerste Zipfel des Deltas: Port Said... Du hast kaum Anker geworfen, so stürmt dir diese Stadt schon entgegen. Vorläufig sind es Horden von Geldwechslern, Teppichhändlern und solchen, die den Verschleiß von Straußfederfächern zum Daseinszweck erkoren haben.
    Du kämpfst dich durch und kommst an Land. Hier wird das Straßenhändlertum, werden die aufdringlichen braunen Hände, die dir phantastisch unnützen europäischen Exportschund unter die Nase stoßen und an deinen Kleidern zupfen, zu einer wahren Pest. Dein Gesicht läuft krebsrot an; kaum kannst du Luft bekommen. Zuviel sind der Verlockungen, der Suggestionen.Schließlich brüllst auch du; und was brüllst du? »Emsch j'allah!«
    Bis die nächste frische Horde um die Ecke streicht, hast du für fünf Minuten Ruhe. Sie weichen zurück; sie grinsen breit. Du hast gerufen: »Geht mit Gott«; aber du hast es zornig gerufen. Darin liegt Komik, und die arabischen Leichtathleten und Kurzstrecken-Champions empfinden das. Es ist erheiternd, wenn man Segenswünsche im Tonfall der Verfluchung äußert. Manche schlagen sich auf die Schenkel, so daß der ganze Kramladen an ihrer Brust ins Klirren kommt, und kopieren dich bellend, grölend, atemlos vor Lachen: »Emsch j'allah!«
    Nun aber geschieht mir etwas hier, und
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