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Der Sang der Sakije

Titel: Der Sang der Sakije
Autoren: Willi Seidel
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Gesindel. »Es ist Zeit, daß ich gehe!« sagte Hassan. »Saïda!«
    Als er sich langsam an der Terrasse vorbeidrängte, half ihm sein Vorsatz nichts, er mußte hinaufsehen.
    Für kurze Zeit eingekeilt, konnte er sich nicht rühren. Und einen Meter über ihm, knapp über seinem Kopf, an einem Tisch an der Balustrade neben dem Treppengeländer saß Jane.
    Es war ihr helles, schmales Gesicht.
    Sie erkannte ihn.
    Sie rümpfte angewidert die Lippen.
    Das helle Gesicht wandte sich ab.
    Hassans Blicke glühten aus der Tiefe heraus.
    Droben lachte man leise.
    Ein Einglas wanderte in ein kaltes Auge, und dies Auge sah herab.
    Eine bekannte Stimme sagte:
    »Ein Irrtum ist ausgeschlossen. Das ist er.«
    Und wieder lachte es dort droben, flüchtig, kurz und hart.
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    O Stunde der Heimkehr, o bunte Gruft, in die man das Fieber trägt und erdrosselt, o schiefergrauer Qualm, der die Welt zunichte macht, der alles erstickt mit süßer, lügnerischer Lähmung!
    Tappen kleiner Hände. Erregtes Geflüster.
    »Sie sind verdrossen, Bei?«
    »Ich habe Ärger; ach, ich habe Ärger.«
    Eine glatte Hüfte streift seine Hand.
    »Ihr Mißmut wird nicht von Dauer sein ...«
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    Sie war da.
    Wo gibt es Weißeres als diesen Leib?
    »Sie sind ein Weib! Was berechtigt Sie, mich zu verachten...?«
    Hohnvoll geschürzte Lippen...
    »Was berechtigt Sie...« Ein Krampf von Wut.
    Er erhebt sich schwer. Seine Hände krümmen sich. Er stürzt sich auf diesen leuchtenden Leib wie ein schweres Gewicht: er martert diesen Körper, er mißhandelt, zertrümmert, würgt und vernichtet ihn...
    Hohnvoll geschürzte Lippen...
    Ein Pfuhl von Blut. Ein Gesicht darin mit grauen Augen, die wandern, gleichgültig wandern...
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    Ein Blitz reißt alles auseinander. Es ist heller Tag. Hassan hockt auf dem Teppich und stiert in das taube Rot des Musters. Seine Finger sind voll bunter Wolle. Speichel tropft aus seinem Mund.
    Und nun vernimmt er ein Helles, fassungsloses Gelächter von irgendwoher. Er erhebt langsam den Kopf.
    Droben bewegt sich der Vorhang aus Perlenschnüren. Und das Gelächter schluchzt, wird bemeistert und prustet wieder zwischen Fingern hervor, die es zerpressen wollen. Er hört es teilnahmslos; es ist nur ein Geräusch.
    Dann betrachtet er sich langsam voll dumpfer Neugier. Plötzlich weiß er, daß man dort droben lacht, daßman seiner spottet; er erhebt sich mlt einem Satz und rennt auf das Treppchen zu.
    Man flüchtet mit leisem Kreischen. Kleine Schuhe trippeln über die Stufen zum Harem-Lik hinauf. Er sieht sie nicht. Sie sind verschwunden.
    Er steht auf dem Gang und brüllt. Der Knabe mit der grünen Kelabije erscheint mit sanfter Sklavenmiene. Verwunderte Domestiken kriechen hervor. Die Bauwabs von draußen wallen herein. Es ist erstaunlich. Was gibt es denn?
    »Wartet hier«, keucht Hassan. »Wartet hier.« Und er rast in den Harem hinauf.
    Hinter einem Berg von Kissen sitzen sie und spielen ein Geduldsspiel.
    »Kommt hervor!« brüllt er. Zwei kleine Köpfe tauchen auf. Er nähert sich, packt die blanken Schultern und zerrt, schleift die beiden Geschöpfe mit roher Kraft quer durch das Gemach bis vor die Türe.
    Sie strampeln, sie bitten entsetzt.
    »Was tun Sie, Bei?«
    Er stößt sie auf die nackte Treppe. Drunten steht die gesamte Dienerschaft; alle diese Leute lächeln schüchtern und erstaunt.
    »Bei! Sie beschimpfen uns! Sie zeigen uns den Leuten!« – Die kleinen Gesichter werden von Tränen feucht.
    »Da sind die Zeugen! Da unten, ihr Hündinnen!«
    »Hündinnen!« ächzen die Töchter Achmed-Sêf-el-Dins und Ismael-Pascha-Haschems...»Ihr seid geschieden ...!!«
    »Bei! Sie vergessen sich! Was soll das!«
    »Ihr seid geschieden ...!!«
    Entsetzter Schrei aus zwei Kehlen: »Sind Sie verrückt?«
    »Ihr seid geschieden ...!!«
    »Ah! Ah! Nun ist es ausgesprochen! Sie werden daran denken! Sie werden daran denken! Sie werfen uns hinaus! Sie werfen uns auf die Straße! Das sollen Sie büßen! Wir gehen! Wir gehen! Ah, ah, ah!«
    Sie taumeln zurück; sie umfassen sich, sie führen einander mit der zarten Rücksicht von Kindern, die sich verletzt haben und sich zärtlich Treue geloben ...
    Dann schlägt die Tür hinter ihnen zu.
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    Hassan sitzt bei seiner Mutter.
    »Höre ich recht?« sagt die Seijide. »Wiederholen Sie mir das!« Sie beugt sich neugierig vor. Ihre Hände fahren nervös im Schoße hin und her.
    »Ja, Madame«, sagt Hassan. »Ich habe sie verstoßen.«
    »Sie haben ihre Gemahlinnen verstoßen? Sie haben die
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