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Der Ruf des Kookaburra

Der Ruf des Kookaburra

Titel: Der Ruf des Kookaburra
Autoren: Julie Leuze
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Ort und Stelle zu begraben, sondern zurück zum Clan zu bringen. Wenn nämlich das Bestattungsritual nicht nach alter Sitte durchgeführt würde, so hatte er ihnen erklärt, könne das üble Folgen für den gesamten Clan zeitigen.
    Emma beeilte sich, einen Wagen samt Fahrer anzuheuern.
    Was Mrs Crusius betraf, so war diese untröstlich. In ihren Augen war Oskar ein unschuldiges Opfer und Emma seine Mörderin. Dass sie damit bei den Constables auf taube Ohren stieß, brachte sie zusammen mit ihrer Trauer an den Rand der Hysterie. Doch egal, wie sehr sie auch zeterte, Mrs Crusius stand auf verlorenem Posten: Sämtliche Arbeiter, Hirten und Mägde – Rosie ausgenommen – bestätigten, ohne zu zögern, zu welchen Grausamkeiten ihr toter Herr fähig gewesen war. Niemand zweifelte an Johns Version der Geschichte, nach der Emma sich gegen Oskar hatte verteidigen müssen. Da John zudem aus einer der besten Familien Australiens stammte, Oskar hingegen nur ein Deutscher gewesen war, fand die Obrigkeit es gerechtfertigt, jeden Zweifel an Johns Glaubwürdigkeit vom Tisch zu wischen. Einmütig kamen die Constables zu dem Schluss , dass Emma aus Notwehr gehandelt haben musste. Wenig später schloss sich der Richter dieser Meinung an und hatte den Fall damit befriedigend schnell vom Tisch.
    Emma war zwar erleichtert, konnte sich selbst aber nicht so leicht von ihrer Schuld freisprechen. Sie hatte, wie es ihr von Gunur prophezeit worden war, einen Menschen getötet. Und sie hatte nicht eine Sekunde lang gezögert.
    Zwar wusste ihr Verstand, dass sie keine Wahl gehabt hatte. Es blieb dennoch Tatsache: Sie hatte einen Mann umgebracht und eine Frau zur Witwe gemacht. Mrs Crusius, man mochte von ihr halten, was man wollte, war nun genauso unglücklich, wie Emma es nach Carls Verschwinden gewesen war; auch mit dieser Schuld musste Emma von nun an leben.
    Immerhin, so sagte sie sich, hatte sie nicht aus Rache oder blindem Hass getötet. Sie hatte niemanden mit unvorstellbarer Grausamkeit gefoltert. Sie war kein Ungeheuer geworden, keine gnadenlose Mörderin; war es nicht einmal im Augenblick des Tötens gewesen. Nicht der Wille des Raubtieres in ihr hatte den Ausschlag gegeben, Oskar zu erschlagen, sondern die Notwendigkeit, anderes Leben zu retten: Birrinbirrins, Carls, ihr eigenes. Dass Birwain von Oskars Hand hatte sterben müssen, war furchtbar genug. Hätte sie sich nicht noch viel schuldiger gemacht, wenn sie Oskar sein Werk hätte vollenden lassen?
    Manchmal dachte sie an Birwains Worte damals im Regenwald: Der Tod von ihrer Hand, hatte der Schamane nach der Prophezeiung gesagt, würde nur jemanden treffen, der ihn auch verdient habe. Emma müsse sich fügen, sonst würde das Unglück nur umso größer.
    Er hatte recht gehabt, wie fast immer.
    Ach, Birwain! Emma vermisste den alten Schamanen schmerzlich. Ob er zurückkehren würde, als Babygeist, wie die Schwarzen glaubten? Emma hoffte es – und wenn diese Hoffnung für eine Christin ketzerisch war, so war ihr das gleichgültig. Es gab immer mehr als eine Wahrheit. Wenn die letzten Monate sie eines gelehrt hatten, dann war es dies.
    Johns Stimme drang durch ihre Erinnerungen und holte sie zurück in den überfüllten Gastraum.
    »Bevor ich gehe, Emma, muss ich dir noch etwas gestehen.« John hielt immer noch ihre Hand, mied jedoch ihren Blick. »Es ist wegen deines Vertrages. Ich … ich hätte dafür plädieren sollen, dass die Regierung ihn verlängert. Du bist eine gute Forscherin, und das, was du im Regenwald machst, ist nicht nur neuartig, sondern auch sehr spannend. Dein Projekt verdient es, fortgeführt zu werden.«
    »Ach!« Emma war bass erstaunt. »Und das fällt dir erst jetzt auf?«
    John atmete tief durch, dann sah er ihr fest in die Augen. »Nein, natürlich nicht. Aber ich wollte dir einen zwingenden Grund liefern, mich zu heiraten. Und eine finanzielle Notlage ist ein zwingender Grund, nicht wahr?«
    Sie öffnete den Mund, schloss ihn wieder. Schließlich sagte sie mühsam: »Mir … fehlen die Worte.«
    »Das ist verständlich. Ich war ein elender Egoist.« John schluckte hart. »Aber ich mache es wieder gut, Emma, das verspreche ich dir. Dein Vertrag wird verlängert, ihr könnt zum Clan zurückkehren. Und wenn es deinem Mann besser geht, werden wir sehen, ob auch sein Vertrag verlängert wird.« Die Andeutung eines Lächelns spielte um Johns Mundwinkel. »Bis dahin schaffst du es genauso gut allein, eure Forschungen fortzuführen. Da bin ich mir ganz
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