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Der Ruf der Kiwis

Der Ruf der Kiwis

Titel: Der Ruf der Kiwis
Autoren: Sarah Lark
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langweiliges Sonntagskleid; diesmal aber hatte Gloria darauf bestanden, im Sattel ihres neuen Ponys abgelichtet zu werden. »Mom und Dad haben mir Princess doch geschenkt!«, hatte sie argumentiert. »Sie freuen sich bestimmt, wenn sie mit auf dem Bild ist.«
    Gwyneira spielte nervös mit ihrem eben erst aufgesteckten Haarknoten, bis sich die ersten Strähnen wieder lösten. »Ich hätte wenigstens auf Damensattel und Reitkleid bestehen sollen.«
    James nahm sanft ihre Hand und hauchte einen Kuss darauf.
    »Du kennst doch Kura und William. Vielleicht war es wirklich das Pony. Aber genauso gut hättest du ein Foto von Gloria im Sonntagsstaat schicken können – dann hätten sie geschrieben, dass eigentlich ein Klavier dazugehört. Vielleicht war die Zeit einfach reif. Sie mussten sich irgendwann daran erinnern, dass sie eine Tochter haben.«
    »Reichlich spät!«, schimpfte Gwyn. »Und warum lassen sie uns nicht wenigstens mitreden? Sie kennen Glory doch gar nicht. Und gleich ein Internat! Sie ist so jung ...«
    James zog seine Frau an sich. Aber er sah sie lieber wütend als so verzagt und unsicher wie eben.
    »Viele englische Kinder kommen schon mit vier ins Internat«, erinnerte er sie. »Und Glory ist zwölf. Sie wird es verkraften. Wahrscheinlich gefällt es ihr sogar.«
    »Sie wird ganz allein sein ...«, sagte Gwyn leise. »Sie wird Heimweh haben.«
    James nickte. »Am Anfang haben bestimmt alle Mädchen Heimweh. Aber sie werden darüber hinwegkommen.«
    Gwyneira fuhr auf. »Wenn das Gut der Eltern zwanzig Meilen entfernt ist, ganz sicher. Aber bei Glory sind es achtzehntausend! Wir schicken sie um die halbe Welt, zu Leuten, die sie nicht kennen und nicht lieben!«
    Gwyneira biss sich auf die Lippen. Bislang hatte sie es nie zugegeben, im Gegenteil, sie hatte Kura immer wieder verteidigt. Aber im Grunde war es eine Tatsache. Kura-maro-tini machte sich nichts aus ihrer Tochter. Und William Martyn ging es nicht anders.
    »Können wir nicht einfach so tun, als hätten wir den Brief nicht bekommen?« Sie schmiegte sich an James. Der fühlte sich an die blutjunge Gwyneira erinnert, die sich zu den Viehhütern in die Ställe geflüchtet hatte, wenn sie mit all den Ansprüchen ihrer neuen, neuseeländischen Familie nicht fertig wurde. Aber das hier war ernster als ein Rezept für Irish Stew ...
    »Gwyn, Liebes, dann schicken sie einen neuen! Das hier ist nicht auf Kuras Mist gewachsen. Die hätte vielleicht mal so eine Idee geäußert, aber spätestens beim nächsten Konzert wäre das wieder vergessen gewesen. Der Brief kommt von William. Das Ganze ist also sein Projekt. Wahrscheinlich liebäugelt er mit der Idee, Gloria bei nächster Gelegenheit mit irgendeinem Earl zu verheiraten ...«
    »Aber früher hat er die Engländer gehasst«, wandte Gwyneira ein. William Martyn konnte auf eine kurze Vergangenheit als Irischer Freiheitskämpfer zurückblicken.
    James zuckte die Achseln. »William ist wandlungsfähig.«
    »Wenn Gloria wenigstens nicht ganz allein wäre«, seufzte Gwyn. »Die lange Schiffsreise, all die fremden Leute ...«
    James nickte. Trotz all seiner beruhigenden Worte konnte er Gwyns Gedanken gut nachvollziehen. Gloria liebte die Arbeit auf der Farm, aber ihr fehlte die Abenteuerlust, die Gwyn und ihre Tochter Fleurette auszeichnete. In dieser Beziehung schlug das Mädchen aus der Art – nicht nur Gwyn, auch ihr Ahnherr Gerald Warden hatte niemals das Risiko gescheut, und Kura und William Martyn erst recht nicht. Aber hier mochte das Maori-Erbe greifen. Glorias Großmutter Marama war sanft und erdverbunden. Natürlich wanderte sie mit ihrem Stamm umher, aber wenn sie das Land der Ngai Tahu allein verlassen sollte, fühlte sie sich unsicher.
    »Und wenn wir ein anderes Mädchen mitschicken?«, überlegte James. »Hat sie keine Freundin unter den Maoris?«
    Gwyneira schüttelte den Kopf. »Du glaubst doch nicht, dass Tonga ein Mädchen aus seinem Stamm nach England schickt!«, meinte sie. »Ganz abgesehen davon, dass mir keines einfällt, das mit Gloria vertraut ist. Da wäre allenfalls ...« Gwyns Gesicht hellte sich auf. »Ja, das wäre eine Möglichkeit!«
    James wartete geduldig, bis sie ihren Gedanken zu Ende geführt hatte.
    »Sie ist natürlich auch noch sehr jung ...«
    »Wer?«, fragte er schließlich nach.
    »Lilian«, meinte Gwyn. »Mit Lilian hat sie sich gut verstanden, als Elaine letztes Jahr hier war. Eigentlich war sie das einzige Mädchen, mit dem Glory jemals gespielt hat. Und Tim ist
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