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Der Ruf der Kiwis

Der Ruf der Kiwis

Titel: Der Ruf der Kiwis
Autoren: Sarah Lark
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erfasst. Aber lass mich erst reinkommen. Was machen die Kleinen?«
    Elaine schmiegte sich an ihren Mann und verschaffte ihm so die Möglichkeit, sich unauffällig auf sie zu stützen. Sie half ihm ins Wohnzimmer, das gemütlich eingerichtet war mit Möbeln aus Mataiholz, und nahm ihm sein Jackett ab, ehe er sich in einen der Sessel vor dem Kamin fallen ließ.
    »Jeremy hat ein Schaf gezeichnet und ›Schiff‹ druntergeschrieben«, erzählte Elaine. »Wir wissen nicht, ob er sich verschrieben oder vermalt hat ...« Jeremy war sechs und lernte gerade das ABC. »Und Bobby hat vier Schritte am Stück geschafft.«
    Als wollte er es beweisen, zockelte der Kleine auf Tim zu. Der fing ihn auf, zog ihn auf seinen Schoß und kitzelte ihn. Der Ärger mit Florence Biller schien plötzlich weit weg zu sein.
    »Noch sieben Schritte mehr, dann kann er heiraten!«, sagte Tim lachend und zwinkerte Elaine zu. Als er nach seinem Unfall wieder laufen lernte, waren elf Schritte – vom Eingang der Kirche bis zum Altar – sein erstes Ziel gewesen. Elaine hatte sich nach dem Minenunglück mit ihm verlobt.
    »Hör nicht hin, Lily!«, sagte Elaine zu ihrer Tochter, die gerade zu einer Frage ansetzte. Lilian träumte von Märchenprinzen, und »Hochzeit« war ihr liebstes Spiel. »Geh lieber zum Klavier und schick 
Annabell Lee
 noch mal zu den Engeln. Und Daddy erzählt mir so lange, warum er plötzlich keine Eisenbahnen mehr mag ...«
    Lilian trollte sich zu ihrem Instrument, während die kleinen Jungs sich wieder der Spielzeugeisenbahn zuwandten, die sie auf dem Fußboden aufgebaut hatten.
    Elaine schenkte Tim einen Whiskey ein und setzte sich neben ihn. Er trank nie viel und üblicherweise nicht vor dem Essen, schon um die Kontrolle über seine Bewegungen nicht zu verlieren. Aber heute wirkte er so erschöpft und verärgert, da mochte ein Schluck ihm guttun.
    »Es ist eigentlich nicht der Rede wert«, meinte Tim schließlich. »Bloß dass Florence mal wieder mit der Eisenbahngesellschaft verhandelt hat, ohne die anderen Minenbesitzer einzubeziehen. Ich weiß es zufällig von George Greenwood. Der hat ja auch beim Gleisbau seine Finger drin. Dabei können wir gemeinsam viel bessere Bedingungen aushandeln. Aber nein, Florence scheint zu hoffen, dass alle anderen in Greymouth die neuen Gleise einfach übersehen, sodass nur Biller in den Genuss des vereinfachten Kohletransports kommt. Matt und ich haben jetzt jedenfalls eine Schienenanbindung auch für Lambert gefordert. Morgen kommen die Leute vom Gleisbau, und wir sprechen über die Kostenaufteilung. Zu Biller ziehen sie die Gleise natürlich gleich durch – Florence hat ihren eigenen Güterbahnhof in spätestens sechs Wochen.« Tim nippte am Whiskey.
    Elaine zuckte die Schultern. »Sie ist eine gute Geschäftsfrau.«
    »Sie ist ein Biest!«, schimpfte Tim und drückte sich damit wahrscheinlich weniger drastisch aus als die meisten anderen Minenbesitzer und Zulieferer der Region. Florence Biller war eine knallharte Geschäftsfrau, die jede Schwäche ihres Gegners nutzte. Sie regierte die Mine ihres Mannes mit eiserner Hand. Ihre Steiger und Sekretäre zitterten vor ihr – obwohl es neuerdings Gerüchte gab, dass ihr junger Bürovorsteher bevorzugt behandelt wurde. Es kam immer wieder vor, dass einer ihrer Mitarbeiter kurze Zeit eine Favoritenrolle spielte. Bisher genau genommen drei Mal. Tim und Elaine Lambert, die in ein paar Geheimnisse der Ehe zwischen Caleb und Florence Biller eingeweiht waren, dachten sich dabei ihren Teil. Florence Biller hatte drei Kinder ...
    »Keine Ahnung, wie Caleb es mit ihr aushält.« Tim stellte sein Glas auf den Tisch. Langsam fiel die Anspannung von ihm ab. Es war immer gut, mit Lainie zu reden, und Lilians eher begeistertes als inspiriertes Klavierspiel im Hintergrund trug zu seiner friedlicheren Stimmung bei.
    »Ich glaube, Caleb sind ihre Machenschaften manchmal peinlich«, meinte Elaine. »Aber im Großen und Ganzen ist es ihm wahrscheinlich egal. Sie lässt ihn in Ruhe und er sie – das war ja wohl auch die Abmachung.«
    Caleb Biller interessierte sich nicht für die Leitung der Mine. Er war Privatgelehrter und galt als Kapazität auf dem Gebiet der Maori-Kunst und Musik. Vor seiner Heirat mit Florence hatte er kurz damit geliebäugelt, sich ganz aus dem Familiengeschäft zurückzuziehen und ein Leben als Musiker zu führen – noch heute arrangierte er die Musik für das Programm von Kura-maro-tini Martyn. Aber Caleb litt unter Lampenfieber, und
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