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Der Ruf der Kiwis

Der Ruf der Kiwis

Titel: Der Ruf der Kiwis
Autoren: Sarah Lark
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von Anfang an keinen Zweifel daran gelassen, was er von Kuras und Williams Anweisungen hielt.
    »Jeder Mensch geht zur Schule«, sagte der junge Mann, aber er klang nicht sehr überzeugt. »Ich war doch auch ein paar Jahre in Christchurch.«
    »Aber du bist jedes Wochenende zurückgekommen!«, schluchzte Gloria. »Bitte, bitte, schickt mich nicht weg! Ich will nicht nach England! Jack ...«
    Das Mädchen blickte ihren langjährigen Beschützer Hilfe suchend an. Jack rutschte auf seinem Stuhl hin und her und hoffte auf Schützenhilfe durch seine Eltern. Seine Schuld war dies nun wirklich nicht. Im Gegenteil – Jack hatte sich ganz klar dagegen ausgesprochen, Gloria von Kiward Station wegzuschicken.
    »Warte erst mal ab«, riet er seiner Mutter. »Ein Brief kann verlorengehen. Und wenn sie noch mal schreiben, sagst du ihnen klipp und klar, dass Glory für die weite Reise noch zu jung ist. Wenn Kura trotzdem darauf besteht, soll sie kommen und sie holen.«
    »Aber das geht doch nicht so ohne Weiteres«, wandte Gwyneira ein. »Sie hat Konzertverpflichtungen.«
    »Eben«, meinte Jack. »Sie wird den Teufel tun und ein halbes Jahr lang auf die Anbetung ihres Publikums verzichten, nur um Gloria in diese Schule zu zwingen. Und falls doch, braucht das Vorbereitung. Mindestens ein Jahr lang. Vorher der Briefwechsel, danach die Reise ... Glory hätte zwei Jahre gewonnen. Sie wäre fast fünfzehn, ehe sie nach England müsste.«
    Gwyneira hatte den Vorschlag ernsthaft erwogen. Aber die Entscheidung fiel ihr nicht so leicht wie ihrem Sohn. Jack war völlig furchtlos, was Kura-maro-tini anging. Aber Gwyn wusste, dass es Druckmittel gab, die man auch von der anderen Seite des Ozeans aus einsetzen konnte. Gloria war zwar die Erbin, aber bislang gehörte Kiward Station Kura Martyn. Wenn Gwyneira sich ihren Wünschen widersetzte, genügte eine Unterschrift unter einem Kaufvertrag, und nicht nur Gloria, sondern die gesamte Familie McKenzie musste die Farm verlassen.
    »So weit denkt Kura doch gar nicht!«, meinte Jack, doch James McKenzie konnte die Befürchtungen seiner Frau durchaus nachvollziehen. Kura dachte wahrscheinlich gar nicht mehr an die Besitzverhältnisse auf der Farm, aber William Martyn waren spontane Handlungen zuzutrauen. Nun hätte James sich ebenso wenig erpressen lassen wie sein Sohn. Aber ihm war Kiward Station nie sonderlich wichtig gewesen. Für Gwyneira jedoch war es ihr Leben.
    »Du kommst doch bald zurück«, erklärte sie jetzt ihrer verzweifelten Urenkelin. »Die Überfahrt geht ganz schnell, in ein paar Wochen kannst du wieder da sein ...«
    »In den Ferien?«, fragte Gloria hoffnungsvoll.
    Gwyneira schüttelte den Kopf. Sie brachte es nicht übers Herz, das Mädchen zu belügen. »Nein. Die Ferien sind zu kurz. Überleg mal – selbst wenn die Überfahrt nur noch sechs Wochen dauert, könntest du in drei Monaten Sommerferien gerade mal herkommen und Guten Tag sagen. Und am nächsten Morgen müsstest du wieder weg.«
    Gloria schluchzte. »Kann ich denn Nimue mitnehmen? Und Princess?«
    Gwyneira hatte das Gefühl, die Zeit wäre zurückgedreht worden. Auch sie hatte wissen wollen, ob sie ihren Hund und ihr Pferd mitnehmen konnte, als ihr Vater ihr die Verlobung nach Neuseeland eröffnet hatte. Die junge Gwyn hatte allerdings nicht geweint. Und ihr künftiger Schwiegervater, Gerald Warden, hatte sie gleich beruhigen können.
    Natürlich durften Cleo, ihr Hund, und Igraine, ihre Stute, mit auf die Reise in das neue Land. Aber Gloria ging nicht auf eine Schaffarm, sondern in eine Mädchenschule.
    Gwyneira brach es das Herz, aber sie schüttelte wieder den Kopf.
    »Nein, Liebes. Hunde erlauben sie dort nicht. Und Pferde ... ich weiß nicht, aber viele Schulen auf dem Land haben Pferde. Nicht wahr, James?« Sie sah ihren Mann Hilfe suchend an, als wäre der alte Viehhüter ein Experte für Mädchenerziehung auf englischen Internaten.
    James zuckte die Achseln. »Miss Bleachum?«, gab er die Frage weiter.
    Sarah Bleachum, Glorias Hauslehrerin, hatte sich bislang vornehm zurückgehalten. Sie war eine unscheinbare, noch ziemlich junge Frau, die ihr kräftiges dunkles Haar matronenhaft aufzustecken pflegte und die eigentlich hübschen, hellgrünen Augen ständig gesenkt zu halten schien. Miss Bleachum lebte nur auf, wenn sie Kinder vor sich hatte. Sie war eine begnadete Lehrerin, und nicht nur Gloria, sondern auch die Maori-Kinder auf Kiward Station würden sie vermissen.
    »Ich glaube, ja, Mr. James«, meinte sie
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