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Der Ruf der Kiwis

Der Ruf der Kiwis

Titel: Der Ruf der Kiwis
Autoren: Sarah Lark
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ebenfalls mit und würde anschließend von Christchurch aus den Zug zurück nach Greymouth nehmen.
    »Wir fahren über den Bridle Path!«, begeisterte sich Lilian und wusste sofort zehn Schauergeschichten über jenen berühmten Bergpfad zwischen Christchurch und dem Hafen Lyttelton zu erzählen. Heerscharen von Neusiedlern waren diesen Pfad entlanggestolpert, müde nach der endlosen Überfahrt und zu arm, um sich den Pendeldienst mit Maultieren leisten zu können. Gwyneira selbst hatte ihr von dem überwältigenden Anblick erzählt, der sich ihnen dann am Ende des Aufstiegs bot: Die Canterbury Plains im Sonnenlicht, dahinter das atemberaubende Panorama der Alpen. Noch immer strahlten die Augen der alten Dame, wenn sie davon berichtete. In diesem Augenblick hatte sie sich in das Land verliebt, das ihre neue Heimat werden sollte.
    Doch der Weg der Mädchen führte nun in die andere Richtung. Und Gwyneira verschwieg, dass ihre Freundin Helen die unwirtliche, trostlose Berglandschaft, die sich dabei zunächst ihren Blicken bot, mit den »Hügeln der Hölle« verglichen hatte.
     

3
    Jack McKenzie war noch nie etwas so schwergefallen wie die Fahrt mit Gloria und Lilian nach Christchurch und dann über den Bridle Path. Dabei waren die Straßen seit Jahren hervorragend ausgebaut, und sein Gespann kräftiger Cobstuten kam schnell vorwärts. Fast zu schnell für Jack. Er hätte manches darum gegeben, die Zeit anhalten zu können.
    Nach wie vor hielt er es für einen schweren Fehler, Gloria den Launen ihrer Eltern zu opfern. Dabei konnte er sich noch so oft sagen, dass dies schließlich nicht das Ende der Welt bedeutete. Gloria würde in England die Schule besuchen und dann zurückkommen. Dutzenden von Kindern aus reichen neuseeländischen Familien ging es nicht anders, und die meisten hegten keine bösen Erinnerungen an ihre Schulzeit.
    Aber Gloria war anders; Jack spürte es instinktiv. Alles in ihm sträubte sich dagegen, das Mädchen Kura-maro-tini in die Obhut zu geben. Zu gut erinnerte er sich an die Nächte, in denen er das schreiende Baby aus seiner Wiege geholt hatte, während die Mutter nebenan seelenruhig schlief. Und Glorias Vater hatte lediglich der Namensgebung Aufmerksamkeit geschenkt. »Gloria« sollte seinen »Triumph über das neue Land« symbolisieren, was immer er damit meinte. Jack hatte den Namen schon damals als zu groß für das winzige Mädchen empfunden. Aber das Kind hatte er vom ersten Moment an geliebt. Jetzt empfand er es fast als Verrat, Gloria allein nach England zu schicken. Auf eine Insel, die sie mit Kura-maro-tini teilen würde. Jack hatte aufgeatmet, als seine Halbnichte einen Ozean zwischen sich und die McKenzies legte.
    Immerhin war Gloria jetzt besserer Stimmung. Tapfer kämpfte sie gegen die Tränen, als sie Grandma Gwyn zum letzten Mal umarmte. Nur beim Abschied von den Tieren musste sie weinen.
    »Wer weiß, ob ich Princess noch reiten kann, wenn ich wiederkomme«, schluchzte sie. Keinem der Erwachsenen fiel darauf ein Wort des Trostes ein. Wenn Gloria die Schule in England beendete, würde sie mindestens achtzehn Jahre alt sein; es hing davon ab, welcher Klasse man sie zuteilte. Das zierliche Pony wäre dann auf jeden Fall zu klein für sie.
    »Wir lassen sie von einem Cobhengst decken«, meinte Jack schließlich. »Dann wartet ihr Fohlen auf dich, wenn du zurückkommst. Es wird dann ungefähr vier Jahre alt sein, und du kannst es zureiten.«
    Bei der Vorstellung glitt ein Lächeln über Glorias Züge. »Das ist gar nicht so lange, nicht?«, fragte sie.
    Jack schüttelte den Kopf. »Nein, das ist gar nicht so lange.«
    Auf der Fahrt nach Christchurch kicherte Gloria dann schon wieder mit Lilian, während Elaine, bereits voller Abschiedsschmerz, und Miss Bleachum, verängstigt ob ihrer eigenen Courage, ein eher angespanntes Gespräch führten. Jack verbrachte die Fahrt damit, Kura-maro-tini in Gedanken zu verfluchen.
    Die Reisenden verbrachten die Nacht im Hotel in Christchurch und fuhren dann in aller Frühe über den Bridle Path. Das Schiff sollte bei Sonnenaufgang ablegen, und Gloria und Lilian schliefen noch fast, als Jack sein Gespann durch die Berge lenkte. Elaine hielt ihre Tochter fest umschlungen. Gloria kletterte auf den Bock und schmiegte sich an Jack.
    »Wenn es ... wenn es ganz schlimm ist, kommst du mich holen, ja?«, flüsterte sie verschlafen, als Jack sie schließlich herunterhob und zwischen den Koffern und Kisten auf den Boden stellte.
    »Es wird nicht so schlimm,
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