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Der Rubin der Oger

Der Rubin der Oger

Titel: Der Rubin der Oger
Autoren: Stephan Russbuelt
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Tür schauen. Wenn du nie ausgehst, kannst du auch niemanden kennen lernen. Es gibt bestimmt nicht wenige junge Männer, die ganz verrückt nach dir wären.«
    Cindiels Haltung gegenüber dem Geschichtenerzähler entspannte sich trotz der Erklärung nicht. Ihr Blick wurde stattdessen noch eisiger.
    »Vielleicht möchtest du mir ja einen von deinen Saufkumpanen vorstellen. Ich bin richtig wild darauf, noch mehr von deiner Sorte kennen zu lernen. Dann werde ich in meiner Freizeit noch meinen Körper in einer dunklen Gasse verkaufen, um euch allen ein sorgenfreies Leben zu ermöglichen.«
    Hagrim bemerkte, dass die Unterhaltung nicht mehr das übliche Katz-und-Maus-Spiel war, dem er sich sonst so gern mit Cindiel widmete. Jetzt war sie wirklich zornig, und er war verlegen.
    »Was ist los mit dir? Ich hab es nicht böse gemeint. Ich wollte dich nur ein wenig aufheitern.«
    Sofort bedauerte Cindiel ihren Ausrutscher.
    »Tut mir leid. Seit über einer Woche will mir einfach kein einziger Trank mehr gelingen. Immer wenn ich die verschiedenen Essenzen miteinander mische, verbinden die sich nicht richtig. Es ist so, als ob man versuchen würde, Wasser und Öl zu vermengen. Wenn das so weitergeht, habe ich bald keine Grundstoffe mehr und keine Tränke zum Verkauf. Dann müssen wir von dem leben, was du als Geschichtenerzähler nach Hause bringst.«
    Hagrim zog eine Flasche Rotwein aus seinem Mantel und hob sie hoch.
    »Essen ist ohnehin schlecht für die Zähne.«
    Cindiel lächelte wenig überzeugt. Hagrim war alles, was ihr an Familie geblieben war, doch trotz seines vorangeschrittenen Alters konnte sie ihn nicht als Vater sehen. Seine äußerst unbedachte Lebensart ließ ihn in ihren Augen mehr wie ein hilfsbedürftiges Wesen erscheinen. Sie war sich sicher, wenn Hagrim für ihren täglichen Lebensunterhalt aufkommen müsste, sie in kürzester Zeit obdachlos wären und des Nachts in einer dunklen Gasse in selbst leer getrunkenen Weinfässern hausen müssten. Aber er mochte sein, wie er wollte, seine Gutmütigkeit und seine ehrliche Freundschaft ließen Cindiel über seine völlige Unfähigkeit, was Geldangelegenheiten anging, hinwegsehen. Und es gab noch einen großen Vorteil, mit ihm unter einem Dach zu leben – man musste nicht die Straße betreten und mit anderen Leuten sprechen, um die neusten Gerüchte zu hören.
    »Sag schon, was gibt es Neues, außer den schier endlos langen Schlangen von Verehrern, die das Haus belagern, um mich zu ehelichen?«, spottete Cindiel.
    Hagrim war unterdessen hinüber zur Kochstelle gegangen und verzog angeekelt das Gesicht, als er den Deckel eines Topfes anhob und einen kurzen Blick hineinwarf.
    »Ich kann es nicht den ganzen Tag warmhalten, in der Hoffnung, dass du irgendwann auftauchst«, rechtfertigte sich Cindiel.
    »Ich bin mir nicht ganz sicher, dass es heiß schmackhafter gewesen wäre. Außerdem wollte ich auch gar nichts essen, ich suche nur den Korkenzieher.«
    Cindiel nahm es Hagrim nicht übel, dass er ihre Kochkünste so missachtete. Er meinte es nicht böse, und außerdem reichten seine eigenen Kochkünste nur zum Erwärmen von Wasser und zum Öffnen von Flaschen.
    »Ich weiß, man hätte es besser abschmecken können, aber ich hatte nicht genügend Gartenkräuter im Haus, und so habe ich einfach Alraune, Tollkirsche und Fliegenpilze hinzugetan, um dich umzubringen. Aber du musst mir glauben, das schwöre ich bei meiner Hexenkunst, den Korkenzieher habe ich nicht hineingetan.«
    Hagrim musste grinsen. Er freute sich darüber, dass Cindiel gewisse sprachliche Eigenheiten von ihm übernahm und sich so entwickelte wie seine nie geborene Tochter.
    »Nun sag schon, was wird auf der Straße so gemunkelt?«, drängte die junge Frau.
    »Weißt du, Prinzessin, die Kunst Neuigkeiten aufzuschnappen besteht nicht darin, das Erzählte wiederzugeben, es ist vielmehr die Fähigkeit, das zu hören, was nicht gesagt wird und rechtzeitig zu gehen, wenn sich bei deinem Gegenüber Wirklichkeit und Fantasie vermischen. Umso öfter man eine Geschichte erzählt bekommt, desto unwirklicher wird sie.«
    Für Belehrungen war Cindiel im Moment nicht in der Stimmung. Sie wollte einfach nur ein wenig Ablenkung von ihren misslungenen Experimenten, egal ob es wahre Geschichten waren oder nicht.
    »Hast du etwas über die Langschiffe der Elfen gehört?«, fragte sie aufgeregt.
    »Ach, diese dämlichen Langschiffe«, winkte Hagrim ab. »Wenn du einem Seemann auf Landurlaub lange genug zuhörst, fragst du
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