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Der Rubin der Oger

Der Rubin der Oger

Titel: Der Rubin der Oger
Autoren: Stephan Russbuelt
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Zuhause nannten, und Magie und Ruhe hatten hier nichts mehr verloren. Unentwegt hörte man die Werkzeuge, die das Gestein im Berg bearbeiteten. Lange Karawanen mit Felsbrocken verließen das Gebirge und noch längere mit Lebensmittel fanden den Weg hinein.
    Im Gegensatz zu ihrem früheren Leben brachte die neue Behausung eine Menge Bequemlichkeiten mit sich. Kein Oger musste sich mehr auf der Suche nach Nahrung in Gefahr begeben. Sie hatten ein festes Winterquartier und einen Platz, an dem sie mit ansehen konnten, wie ihre Kinder aufwuchsen. Und sie hatten ihre Selbstbestimmung wiedererlangt, auch wenn die meisten von ihnen nicht wussten, was das war. Doch wie immer im Leben, hatte auch dieser Ort seine Schattenseiten, und Oger warfen riesige Schatten.
    Die Hammerschläge erklangen tief aus dem Erdreich. Die Oger hatten ein weit verzweigtes Tunnelnetz unterhalb des Drachenhorstes gegraben. Nie hätte jemand gedacht, dass die behäbig wirkenden und meist handwerklich unbegabten Kolosse dazu imstande gewesen wären. Doch mit der Hilfe der Zwerge war es ihnen gelungen, ihre Gänge und Kammern so abzustützen, dass das Erdreich darüber nicht nachgab. Doch das war nicht alles, was man ihnen beigebracht hatte. Das kleine Volk hatte ihnen auch gezeigt, wie man den Marmor bearbeitete und abtransportierte. Extra großes Werkzeug hatten sie angefertigt, Gerätschaften, die auch der Kraft eines Ogers standhielten, auch wenn dessen Geduld am Ende war und durch einen Wutanfall abgelöst wurde. Tauwerk, Seilzüge und sogar eine Lore, die auf Schienen fuhr, hatten die Zwerge ihnen aus Dankbarkeit zur Verfügung gestellt. Wobei die Lore eher zur Unterhaltung beitrug, denn die Oger machten sich einen Spaß daraus, das Gefährt als Transportmittel für sich selbst zu verwenden. Mit angewinkelten Beinen in dem Metallkorb hockend und die Arme weit über das Gefährt hinaus gestreckt, die Deichsel packend, rasten sie unter dem Applaus und Gegröle der anderen die Gleisstrecke entlang.
    Aber nicht nur die Zwerge hatten ihnen zu dieser Existenz verholfen, auch den Menschen aus Nelbor verdankten sie viel. Mit ihrer Hilfe hatten sie einen Brunnen tief ins Erdreich gebohrt und so das lebenswichtige Wasser für ihre Siedlung erhalten.
    Sie schafften gewaltige Granitblöcke quer durch die Wüste und verkauften sie am Gebirgspass an Händler. Kein Gold, keine Edelsteine und auch keine Waffen waren es, die sie gegen das rote Gestein eintauschten. Nahrung war das Einzige, das für sie wertvoll war.
    Vieles hatten sie im Laufe der Zeit gelernt, einiges wieder vergessen und anderes nie richtig begriffen, so zum Beispiel das Streben nach mehr. Die Menschen waren da anders, sie horteten, sie rafften und versuchten, Dinge zu erreichen, die Ogern wertlos erschienen. Es lag einfach nicht in der Natur der Oger, mehr zu wollen, als sie verbrauchen konnten. Es hatte keinen Sinn sich Geschmeide umzuhängen, denn man konnte es nicht essen, wenn man hungrig war. Man brauchte keine zwei Häuser, denn man schlief ja ohnehin nur in einem. Kleidung aus Seide wärmte nicht, und zwei Pferde galoppierten auch nicht schneller als eins.
    Dies war auch ein Grund dafür, warum sie nie ein Oberhaupt bestimmt hatten. Jeder tat einfach das, was er am besten konnte, oder wenigstens das, was er überhaupt konnte. Am wichtigsten war, dass es funktionierte, und das tat es. Die Welt der Oger war nicht perfekt. Die großen Wesen waren immer noch übellaunig, faul und verfressen, aber sie hielten zusammen. Kein Oger nahm es einem anderen übel, wenn er mitten in der Arbeit einschlief oder eine Pause machte, um seinen immerwährenden Hunger zu stillen. Allein die Aussicht, sich nicht mehr herumkommandieren lassen zu müssen, im Winter nicht zu frieren und keinen Hunger zu leiden und bei ihren Familien zu sein, drängte sie immer wieder dazu, irgendwann weiterzumachen. Und es gab immer noch das Gespött der anderen, um einen Faulpelz wieder an die Arbeit zu bekommen.
    »Du sehen aus wie Oger, aber du nur fetter Ork«, pflegten sie zu sagen. Ein Ausspruch, der selbst den trägsten unter ihnen dazu brachte, zu zeigen, was in ihm steckte.
    Das Hämmern aus der Mine hatte aufgehört. Die Arbeiten unter der Roten Wüste ruhten heute, denn Glimdibur, ein zwergischer Minenbaumeister, stattete den Ogern einen seiner regelmäßigen Besuche ab. Er inspizierte die Mine und gab Anweisungen, wo Stützbalken eingezogen oder erneuert, die Grabungen eingestellt oder neue begonnen werden mussten.
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