Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Rubin der Oger

Der Rubin der Oger

Titel: Der Rubin der Oger
Autoren: Stephan Russbuelt
Vom Netzwerk:
augenscheinlich mit dem gleichen handwerklichen Ungeschick erstellt worden, und ohne Granitblöcke hätte man sie sicher auch als Kriegsmaschinerie eingestuft. Vier Karren gehörten zu der kleinen Karawane. Sechzehn Oger zogen die Last, einer überwachte das Vorankommen, und einer stritt unentwegt ab, etwas damit zu tun zu haben.
    »Ich machen vier Jahre«, brummte Rator, »und nun haben Aufpasser.«
    »Ich bin nicht als Aufpasser hier«, rechtfertigte sich Mogda genervt.
    »Wohl«
    »Nein, bin ich nicht. Ich laufe einfach nur in die gleiche Richtung.«
    »Dann wir warten halben Tag, und du gehen weiter.«
    Langsam war Mogda es leid, sich diese lächerlichen Unterstellungen Rators noch weiter anhören zu müssen. Es fehlte nicht viel, und er hätte zugestimmt.
    »Das ist doch Blödsinn, ich wollte einfach nur in Gesellschaft reisen und hatte gehofft, du freust dich darüber.«
    »Ha, warum freuen, wenn du denken, ich alles falsch mache.«
    »Ich denke doch gar nicht, dass du alles falsch machst. Ich finde, du erledigst deine Aufgabe ganz hervorragend.«
    Rator schleuderte einen Stein, den er kurz zuvor aufgehoben hatte, mit Wucht auf den Boden.
    »Haben gewusst, du doch Aufpasser.«
    »Bin ich nicht.«
    »Wohl«
    Mogda ließ sich etwas zurückfallen. Er trottete hinter dem zweiten Wagen her, und von Zeit zu Zeit schüttelte er sich, um das Gefühl der Überflüssigkeit loszuwerden.
    Er konnte es einfach nicht fassen. Seit Jahren verhandelte er jetzt mit den Menschen, und fast jeder versuchte, ihn auf irgendeine Art und Weise zu übervorteilen. Jedes Gespräch verlief anders. Jeder hatte eine andere Masche, aber keinem konnte man nachsagen, dass er nicht tief in die Trickkiste griff, um ihn hereinzulegen. Und doch war es ein Oger, mit einem eingeschränkten Sprachschatz und dem Hang zu gewalttätigen Problemlösungen, der ihn an den Rand der Verzweiflung brachte.
    Gerade hatte er seine Gedankengänge abgeschlossen, da taten ihm seine Überlegungen auch schon leid. Er tat Rator Unrecht. Er selbst war auch nur ein Oger, und nur durch einen glücklichen Zufall war er in der Lage, zu schreiben und zu lesen. Rator hatte ihm in vielen gefährlichen Situationen beigestanden. Seine Loyalität stand außer Frage. Er war eben ein Oger und regelte die Probleme auf Ogerweise. Daran war nichts Verwerfliches. Er selbst war es, der sich immer weiter von dem entfernte, was er wirklich war. Die Menschen hatten schon zu viel Einfluss auf ihn genommen. Manchmal ertappte er sich dabei, wie er versuchte, sie zu imitieren, doch er war dabei nur eine schlechte Fälschung mit Übergewicht.
    »Du«, rief eine schnaubende Stimme hinter ihm. Mogda drehte sich um und sah sich den Ogern gegenüber, die den dritten Wagen zogen.
    »Dort sein Pass. Wir bald da.«
    »Das wurde auch Zeit«, stöhnte Mogda.
    »Du erschöpft? Wir können machen Pause«, bot der stämmig wirkende Oger an.
    »Nein, warum sollten wir eine Pause machen?«
    »Weil du immer festhalten an Karren.«
    Mogda stockte der Atem vor Wut. Das war eine Ungeheuerlichkeit. Egal, wo er seine Hilfe anbot, er wurde missverstanden.
    »Ich habe mich nicht festgehalten«, versuchte er, sein Bestreben richtig zu stellen. »Ich wollte nur verhindern, dass wir immer langsamer werden, deshalb habe ich mit geschoben.«
    Das breite Grinsen der vier Oger strafte ihn Lügen. Er war es satt, sich weiter rechtfertigen zu müssen. Er entschied, dass es ihm lieber war, sich mit der schlechten Laune Rators abzugeben, als sich dem Gespött der anderen auszusetzen. Mit aller Kraft warf er sein Gewicht noch einmal gegen den Karren, der sein Tempo dadurch aber keineswegs beschleunigte, und ging dann wutschnaubend wieder an die Spitze der Karawane.
    Rator empfing ihn grinsend. »Na, andere alles machen richtig?«
    Mogda ging nicht auf die Frage ein. Alles was er hätte sagen können, wäre falsch gewesen. Die letzten Meilen würden sie einfach nebeneinander hergehen und so tun, als ob sie sich nicht kannten, besser noch, als ob der andere gar nicht da wäre.
    Mit jedem Schritt besserte sich Mogdas Laune. Sein Groll legte sich, und auch Rator schien etwas ausgeglichener. Der wirkliche Grund seiner Reise kam ihm wieder zu Bewusstsein. Er war auf dem Weg nach Osberg, um Cindiel zu besuchen. Zwei Jahre war es her, seit er sie das letzte Mal gesehen hatte. Damals war sie schon kein kleines Mädchen mehr gewesen, sondern schon auf halbem Weg zum Erwachsenwerden. Mogda war gespannt, inwieweit sie sich verändert
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher