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Der Rubin der Oger

Der Rubin der Oger

Titel: Der Rubin der Oger
Autoren: Stephan Russbuelt
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Ein breiter Spalt zog sich quer über die Decke, dann lösten sich die ersten Gesteinsbrocken und stürzten auf Rolgist nieder.
    Ein dumpfes Grollen fegte durch die Tunnelgänge, das den erstickten Schrei schluckte, den er ausstieß.

2
Die Grotte
    Der leichte Seegang ließ die Wellen in der Grotte wie einen monotonen Singsang widerhallen. In regelmäßigen Abständen wechselte das klatschende Brechen der Wellen mit dem Rauschen ab, wenn das Wasser über den Fels zurück ins Meer floss. Die Sonne stand bereits niedrig und ließ den Eingang zur Grotte in einem tiefen Rot erleuchten, das sich mit der Spiegelung auf der Wasseroberfläche vermischte. Diese Höhle war nicht viel mehr, als eine von der Brandung ausgewaschene Vertiefung im porösen Gestein des Bergwalls, dennoch hätte sie Geschichten erzählen können, die denen eines Königspalastes ebenbürtig waren.
    Das Geräusch der Wellen wurde schwächer, dafür verringerte sich der Abstand zwischen ihnen. Eine einzelne Woge rauschte heran, die nicht zu den Gezeiten des Meeres gehörte. Sie bewegte sich eigenständig und zielgerichtet. Sie schien ihre eigene Strömung zu haben, die sich schneller bewegte als das Wasser es zugelassen hätte, und auf ihrem Weg verschlang sie zahllose andere Wellen. Als sie auf das vulkanartige Gestein in der Grotte traf, hätte man denken können, sie zügele ihr Tempo. Fast behutsam ergoss sich die Brandung über den Fels und verteilte sich gleichmäßig über die scharfen Kanten der Steine. Das Wasser dehnte sich für einen kurzen Moment zu einer glatten, verspiegelten Oberfläche aus, bevor es wieder zurück ins Meer floss. Alles, was von ihr übrig blieb, war die Gestalt eines jungen Mannes, der in der Gischt der neu herannahenden Wellen kauerte.
    Langsam erhob er sich und kletterte über die kantigen Steine weiter in die Grotte hinein. Er trug nichts außer einem wollenen Umhang mit Kapuze. Der durch die Nässe dunkelbraun verfärbte Stoff hing tropfend von seinem Leib. Die Kapuze war tief in sein Gesicht gezogen und verbarg es fast vollends. Mit sicheren Schritten bewegte er sich über den scharfkantigen Untergrund, ohne dass seine nackten Füße auch nur ein einziges Mal zögerten. Er ging einige Schritte, bis er das Ende der Grotte erreichte, und hockte sich dann wieder hin, den Blick auf das Meer gerichtet. Bedächtig griff er mit beiden Händen an die Kapuze und zog sie nach hinten. Sein langes blondes Haar verschwand im Nacken unter dem Umhang, nur einige Strähnen fielen an der Seite heraus und hingen in seinem fast weiblich anmutenden Gesicht. Seine zierliche Nase und sein schmales Kinn unterstrichen den Eindruck. Seine Augen waren von einem durchdringenden Blau.
    Keine einzige Welle entging seinem geschärften Blick. Wie nach einem Muster Ausschau haltend fixierte er das Meer vor sich.
    Blitzschnell klatsche er in die Hände, und wie durch fremde Hand wurde ein Fisch aus den Wogen geschleudert und vor seine Füße geworfen. Der kleine Barsch lag hilflos zappelnd auf den Steinen. Der Jüngling griff nach ihm, hielt ihn sich vor das Gesicht und ahmte seine Maulbewegungen nach, mit denen er versuchte, nach Luft zu schnappen.
    »Du brauchst keine Angst zu haben«, sagte er zu dem Fisch. »Ich werde dich gleich wieder zurückschicken, aber du musst etwas für mich tun.«
    Die Stimme passte nicht zu ihm, sie war zu tief und zu männlich für seine Erscheinung.
    »Schwimm hinaus und erzähle es den Meinen. Die Zeit ist gekommen, ein zweiter Funken erleuchtet meinen Weg. Sobald ich ihn habe, werde ich es sie wissen lassen. Sag es allen, die es verstehen können.«
    Sanft ließ er den Fisch wieder zurück ins Wasser gleiten.

3
Marmor in der Wüste
    Die schweren Karren rollten nur langsam über den sandigen Boden der Roten Wüste. Trotz ihrer breiten Holzräder sackten sie tief in die Erde ein und hinterließen Furchen im Boden, die einem Bauern mit einem Pflug nicht besser gelungen wären. Die grob gezimmerten Fuhrwerke ächzten stark unter der Last der tonnenschweren Granitblöcke. Die Räder der Karren waren leicht unrund, und ihre Achsen nicht ganz zentrisch gelagert, somit blockierten sie von Zeit zu Zeit. Doch die Kraft von vier Ogern ließ es nicht zu, dass die Wagen langsamer wurden oder gar anhielten. Sie wurden einfach gezogen, ob mit oder ohne runde Räder. Die einzigen Konstruktionen, welche die Oger vorher gebaut hatten, waren schwere Katapulte, Rammböcke und andere Belagerungsmaschinen. Die Lastkarren waren
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