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Der rote Würfel

Der rote Würfel

Titel: Der rote Würfel
Autoren: Christopher Pike
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gelassen über die Türschwelle.
Sie sind sofort bei mir. Noch bevor ich die Absperrung erreiche, drehen sie mir die Arme nach hinten und legen mir Handschellen an. Sie lesen mir noch nicht einmal meine Rechte vor. Mit unterdrücktem Grinsen stelle ich mir vor, daß sie mir so etwas vortragen werden wie: »Sie haben das Recht auf einen halben Liter Blut. Wenn Sie das nicht bezahlen können, wird sich das Gericht ein wenig für Sie zur Ader lassen.« Sie verfrachten mich nach hinten in das Panzerfahrzeug hinein, in das sie auch Joel gesteckt haben. Na klar: Sie werden mir alle Rechte gewähren, die mir als amerikanischer Staatsbürgerin zustehen. Hinter mir mühen sie sich gerade damit ab, das Feuer zu löschen. Wie schade, daß sie zwar allerhand an Gewehren und anderer Feuerwaffen mitgebracht, ihre Feuerwehrautos aber leider zu Hause vergessen haben. Das Haus ist der reinste Scheiterhaufen. Eddie Fender wird nichts und niemand hinterlassen, der die Menschheit weiter gefährdet.
Und was ist mit mir? Mit Joel?
Man hat unsere Beine am Wagen festgekettet. Uns gegenüber auf einer Metallbank sitzen drei Männer mit automatischen Waffen. Das einzige Licht über uns wirft einen gespenstischen Schatten auf sie. Keiner sagt einen Ton. Vorne neben dem Fahrer sitzen zwei weitere bewaffnete Männer. Einer von ihnen trägt eine Schrotflinte, der andere eine Maschinenpistole. Eine offenbar kugelsichere Scheibe trennt die beiden von uns. Sie ist auch schalldämmend. Und ich könnte sie jederzeit mit meinem kleinen Finger zerbrechen.
Aber was ist mit der Mini-Armee um uns herum? Mit dieser kann ich nicht so einfach fertigwerden. Die Tür wird geschlossen, wir setzen uns in Bewegung, und ich höre ein Dutzend Autos um uns herum. Über dem ganzen kreist der Hubschrauber, richtet seinen Scheinwerfer auf unser Fahrzeug. Ihre Vorsichtsmaßnahmen grenzen schon an Übertreibung. Sie wissen, daß ich zu außerordentlichen Dingen imstande bin. Diese Erkenntnis dringt mir tief ins Bewußtsein. Fünftausend Jahre lang – von ein paar einzelnen Vorfällen einmal abgesehen – bin ich unerkannt durch die menschliche Geschichte hindurchgekommen. Jetzt hat man mich ans Licht gezerrt. Jetzt bin ich der Feind. Ganz gleich, wie die Sache hier ausgeht, ob wir davonkommen oder bei dem Versuch draufgehen: Mein Leben wird niemals das gleiche sein.
Meine Kreditkarten werde ich wohl zerreißen müssen.
»Wohin bringt ihr uns?« will ich wissen, da ich aus der bisherigen Fahrtrichtung nichts erkennen kann.
»Schnauze!« sagt der in der Mitte. Er sieht aus wie ein Ausbilder, hat ein gegerbtes Gesicht mit tief eingegrabenen Falten von all den hinausgebellten Befehlen. Er trägt eine kugelsichere Weste, genau wie seine Kameraden. Die würde mir sicher auch gut stehen, überlege ich. Ich fasse ihn ins Auge und schenke ihm ein leichtes Lächeln.
»Was ist denn los?« frage ich. »Haben Sie Angst vor einer jungen Frau?«
»Ruhig jetzt«, schnauzt er mich an. Unruhig rutscht er dabei hin und her, bewegt seine Waffe. Mein Blick ist starke Medizin. Er kann Löcher in Gehirnneuronen brennen. Meine Stimme wirkt hypnotisch, wenn ich das möchte. Ich könnte einen Grizzly in den Schlaf singen. Mein Lächeln wird breiter.
»Kann ich eine Zigarette haben?« frage ich.
»Nein«, entgegnet er schlichtweg.
So weit wie möglich lehne ich mich vor. Trotz all ihrer Vorkehrungen sind diese Leute hier doch nicht so gut präpariert wie die von Slim. Yaksha hatte veranlaßt, daß sie Handschellen aus einer speziellen Legierung mitbrachten, die selbst ich nicht aufbrechen konnte. Diese Handschellen kann ich wie Papier zerreißen. Aber diese Spezialeinsatzleute hier sitzen dicht nebeneinander und haben insgesamt drei Waffen unmittelbar auf mich gerichtet. Durchaus denkbar, daß sie mich töten, bevor ich sie ihnen alle abnehmen kann. Ich muß also raffinierter vorgehen.
Relativ raffiniert jedenfalls.
»Ich weiß nicht, was sie euch über mich erzählt haben«, fahre ich fort. »Aber es war bestimmt total daneben. Ich habe nichts Böses angestellt. Außerdem ist mein Freund hier FBI-Agent. Es ist nicht in Ordnung, wie er hier behandelt wird. Ihr solltet ihn freilassen.« Ich starre dem Mann tief in die Augen, und alles, was er jetzt noch sieht, sind meine dunklen Pupillen, die immer größer werden, so daß er förmlich in ihnen zu versinken droht. Meine Stimme ist sanft. »Ihr solltet ihn jetzt freilassen.«
Der Mann greift nach den Schlüsseln, zögert dann jedoch. Das Zögern ist
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