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Der rostende Ruhm

Der rostende Ruhm

Titel: Der rostende Ruhm
Autoren: Heinz G. Konsalik
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sah, geehrt von aller Welt. Da wußte ich plötzlich, daß ich einmal hier stehen würde, ohne allen Stolz, ohne alle Tugenden, bloß und zitternd und darum bettelnd, geliebt zu werden. Vielleicht ist es Wahnsinn – sicher ist es Wahnsinn. Aber ich bin noch keine alte Frau, ich bin zweiundvierzig Jahre alt, ich will und ich muß leben! Wissen Sie, was mein Mann ist? Eine Maschine, eine Rechenmaschine, die morgens aufgedreht wird und abends abgeschnurrt ist und die Ergebnisse aufs Papier speit. Dann geht er auf die Jagd, oder er spielt Roulett, oder er reitet durch den Wald, oder er säuft wie eine Kuh Whisky und Cognac und liegt schnarchend im Bett. Um mich kümmert er sich nicht … Ich bin ein Teil seiner Sammlungen, eine lebende Skulptur, die er bei Bällen und Festen ausstellt und auf sie stolz ist. Aber ich habe ein Recht darauf, zu leben, und ich will mir dieses Recht nehmen, auch wenn es ordinär ist und ich dabei vor die Hunde gehe!«
    Sie lehnte sich an die Brust Berghs und umklammerte seinen Rücken. Er spürte, wie sich ihre Nägel durch den Anzugstoff in seinen Rücken gruben, wie ihr Körper zitterte, als durchjagten ihn Fieberschauer. Ihre Augen starrten ihn mit einer Wildheit an, die er wie körperliche Schläge empfand.
    »Ich werde Ihnen ein Mittel zur Beruhigung aufschreiben«, sagte er stockend.
    »Ein Mittel?« schrie sie. »Ich will kein Mittel! Ich will geliebt werden! Ich will dich … Ich will …«
    Sie warf ihre Hände empor, riß seinen Kopf zu sich herunter und küßte ihn mit heißen, trockenen Lippen. Bergh wehrte sie ab, rang mit ihr, preßte ihre Arme, bis sie aufschrie und seinen Kopf losließ. Aber sie blieb an ihm hängen wie ein festgebissenes, zappelndes Tier und stöhnte mit geschlossenen Augen auf, als er sie hochhob, zu dem Sessel zurücktrug und auf die Polster warf.
    »Ziehen Sie sich an!« schrie er ihr zu. »Benehmen Sie sich nicht wie eine heiße Hündin …«
    Brigitte Teschendorff legte ihre Arme gekreuzt über die Brüste. Mit halb geschlossenen Augen sah sie zu Bergh empor. Blässe durchzog ihr gerötetes Gesicht. Dann wurde es heiß, als ströme alles Blut aus ihrem Kopf. Wie ein geschlagenes, trotziges Kind hockte sie im Sessel. Schön, wild, ein Bündel vibrierender Nerven.
    »Sie werden mich ab heute anders sehen, Herr Dr. Bergh!« sagte sie leise. Die Gefährlichkeit ihrer Stimme drang in Bergh hinein wie die Schneide eines die ganze Brust aufreißenden Messers. »Ich verspreche es Ihnen.«
    »Sie haben mich dazu gezwungen.«
    »Sie Heiliger!« Brigitte Teschendorff warf den Kopf in den Nacken. Auf ihren nackten Schultern tanzten der Schein der Tischlampe und die Schatten ihrer Haare. »Ihr Ruhm wäre nicht der erste, der an einer Frau zerbricht …«
    Erna hatte bei seinem späten Nachhausekommen schon zweimal neue Kartoffeln gekocht. Aber die Schnitzel konnte sie nicht mehr retten; sie waren in der Pfanne verbruzzelt und zusammengeschrumpft.
    »Ich habe keinen Appetit, Erna«, sagte Dr. Bergh, als sie ihm ihr Leid klagen wollte. »Geben Sie die Sachen der Afra.« Er streichelte dem sich mit dem ganzen Körper freuenden Boxerhund den Kopf und den Rücken und ging dann schnell in sein Arbeitszimmer. Erna hörte, wie er es von innen abschloß.
    Wütend ging sie in die Küche, schnitt die Schnitzel in Streifen und warf sie dem Hund in den Freßnapf.
    Dr. Bergh ging in seinem großen Zimmer hin und her. Er kam sich wie verloren vor, wie ausgesetzt in eine Wildnis, deren Gefahren er hilflos gegenüberstand.
    Er konnte operieren, das wußte er. Er war ein guter Chirurg, der beste beim Examen, der beste als Assistent, als Oberarzt, der die zurückgestellten Chefoperationen ausführte, weil der ›Alte‹, wie man den Chef nannte, an Kreislaufstörungen litt und eine lange Sitzung nicht mehr durchhielt. Keiner durfte das wissen; es war ein Geheimnis, eingemauert in die weißen, sterilen Wände der Klinik – und Dr. Bergh machte die Chefoperationen, elegant, schnell, genial, manchmal in Verkürzungen, mit neuen Ideen, bewundert von den assistierenden Ärzten und angehimmelt von den Schwestern. Er kannte jeden Handgriff, er wußte, was bei jeder möglichen Komplikation zu tun war, er sah den offenen Körper vor sich, und seine Hände arbeiteten flink, sicher, das Leben rettend, das leise pulsend unter seinen Fingern sich bewegte. Er wußte jede Naht, jede Ligatur, jede Klammer, jeden Scherenschlag – vor fünfzehn, siebzehn, zwanzig Jahren … Dann begann er seine
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