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Der Riss

Der Riss

Titel: Der Riss
Autoren: Scott Westerfeld
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Jenks ?“
    „Nein, in der Midnight. Es gibt mich nur eine Stunde am Tag. Ich bin jetzt ein Teil der Midnight.“ Jessica schüttelte traurig den Kopf. Vielleicht war sie Teil der Midnight geworden, als sie zum ersten Mal in der geheimen Stunde aufgewacht war. Seit damals hatte es an ihrem Leben genagt, bis nur noch dieser eine Splitter übrig war.
    Sie spürte einen mentalen Schubs von Melissa, die ganz in der Nähe stand, richtete sich auf und schluckte ihr Selbstmitleid runter. Jessica hatte sich oben auf jenem Dach entschieden, schließlich hatte sie gewusst, dass alles anders werden würde, wenn sie ihre Hand in den Blitz stecken würde.
    „Warum hast du mir nicht gesagt, was los war?“, fragte Beth. „Die ganze Zeit hättest du mich einweihen können.“
    Jessica hatte mit der Frage gerechnet. „Wirst du es Mom und Dad erzählen?“
    „Erzählen …?“
    „Was hier passiert. Wirst du ihnen sagen, dass du gesehen hast, wie deine vermisste Schwester an einer Bahnlinie in Jenks erschienen ist?“
    Beth dachte eine Weile nach, dann schüttelte sie den Kopf.
    „Sie würden mich wahrscheinlich zum Psychofritzen schicken.“
    „Genau.“ Jessica nickte. „Also musst du es für dich behalten. So wie ich. So läuft das eben. Aber Beth, du weißt wenigstens, dass ich … irgendwo bin.“
    „ Irgendwo ist nicht genug, Jess! Du lässt mich ganz allein.“
    „Das ist nicht wahr. Du hast immer noch Mom und Dad.“

    Beth biss die Zähne zusammen. „Mom heult die ganze Zeit.
    Sie glaubt, du bist verschwunden, weil sie so viel arbeitet. Und aus Dad ist noch ein schlimmerer Zombie geworden als vorher.“
    Jessica schloss die Augen, heiße Tränen rollten in der kühlen blauen Zeit ihre Wangen hinunter. Den Gedanken, dass ihre Eltern sie vermissten, ohne zu wissen, was passiert war, konnte sie nicht ertragen. „Sie brauchen dich, Beth.“
    „Sie brauchen dich. Vielleicht könnten sie hierherkommen und genauso hier stehen wie ich. Ich werde mir was ausdenken, wie ich sie nach Jenks schaffe. Ich werde sie zwingen , dass sie mitkommen …“
    „Nein.“ Jessica trat einen Schritt vor und legte einen Arm um Beth. „Der Riss verschwindet. Und außerdem werde ich nicht mehr hier sein. Jonathan und Melissa und ich gehen weg aus Bixby.“
    Beth trat gegen den Schotter, Tränen stiegen ihr in die Augen. „Du lässt mich im Stich.“
    „Midnight breitet sich aus, Beth. Es wird mehr Leute wie mich geben, die aufwachen und sich in der blauen Zeit wiederfinden.“
    „Und ihre kleinen Schwestern belügen?“
    „Möglicherweise, anfangs.“ Jessica nickte. „Sie brauchen jetzt unsere Hilfe.“
    „ Ich brauche dich auch, Jessica.“ Beth schluchzte inzwischen.
    „Ich weiß.“ Sie zog ihre kleine Schwester in eine linksarmige Umarmung und seufzte. „Es tut mir so leid, Beth. Vielleicht war es nicht fair, dich hierherzubringen.“
    Beth schüttelte den Kopf.
    „Aber du musst alle im Unklaren lassen, genau wie ich“, sagte Jessica. „Du wirst sie belügen müssen.“

    Beth hob den Kopf. „Nicht alle. Da ist Cassie.“
    Jessica nickte langsam. „Das stimmt. Sie hat den Riss sowieso gesehen. Ich schätze, ihr kannst du auch von mir erzählen.“
    Beth zog die Nase hoch. „Hab ich schon.“
    „Was?“
    „Als Jonathan mich zu überreden versucht hat, dass ich mit hierherkomme. Ich hab sie bei mir übernachten lassen, und sie hat sich in meinem Schrank versteckt. Und hat gelauscht.“
    Eine Woge der Verärgerung, die ihr nur allzu vertraut war, wallte in Jessica kurz auf. Aber dann wurde ein Gefühl der Erleichterung daraus, und sie fing an zu kichern. „Du kleines Biest.“
    „Es muss mehr Leute in Bixby geben, die über all das Bescheid wissen. Leute, die sich zusammengereimt haben, wie es funktioniert.“ Beth zog sich ein bisschen zurück und sah ihrer Schwester streng in die Augen. „Und glaub mir, Cassie und ich, wir werden sie finden. Glaub nicht, dass du uns so schnell losgeworden bist.“
    Jessica sah auf ihre kleine Schwester hinab. Ein Lächeln machte sich auf ihrer Miene breit, und plötzlich war sie sich sicher, dass Beth zurechtkommen würde, mit oder ohne große Schwester.

    Dess schlenderte an den Schienen entlang, sah zu den Bäumen auf, suchte nach irgendwelchen Zeichen von Leben. Es war in der letzten Zeit fast zu still. Gegen einen Gleiter zwischen den Zweigen hätte sie nichts einzuwenden gehabt. Mit dem Unheilstifter in ihrer Tasche und dem Flammenbringer ein paar hundert Meter weiter war sie
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