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Der Ring des Sarazenen

Der Ring des Sarazenen

Titel: Der Ring des Sarazenen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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Fieber leidet und uns womöglich alle ansteckt.«
    »Ich habe Euch gesagt, dass es nicht ansteckend ist«, mischte sich Tobias ein.
    »Ihr habt auch gesagt, dass Ihr nicht genau wisst, an welcher Krankheit er leidet«, antwortete Dariusz trotzig. »Wie könnt Ihr da wissen, dass sie nicht ansteckend ist?«
    »Zum einen, weil er lebendig vor uns steht…«, antwortete Tobias.
    »Und zum anderen?«, fragte Dariusz lauernd.
    »Das ist genug!« Abbé erstickte den drohenden Streit im Keim, wenn auch um den Preis, dass er sich damit Dariusz’ Zorn zuzog. Bevor der Ritter jedoch etwas vorbringen konnte, hob einer der anderen Templer den Arm und deutete auf die Sankt Gabriel. Abgesehen von Tobias, der einfach weiter dastand und Dariusz aus seinen faltenumsäumten Augen herausfordernd anblitzte, wandten sich alle um und sahen zum Schwesterschiff der Sankt Christophorus hinüber. Die Kogge hatte den Kurs gewechselt und mehr Fahrt aufgenommen. Robin, die von der Seefahrt ungefähr so viel verstand wie vom Lautenspiel, war es schon immer ein Rätsel gewesen, wie zwei Schiffe gleicher Größe und identischer Bauart unterschiedlich schnell fahren konnten, aber die Sankt Gabriel holte rasch auf.
    Nach nur wenigen Minuten ging das Kreuzfahrerschiff längsseits. Männer auf beiden Schiffen warfen einander Seile zu. Netze, prall gefüllt mit altem Segeltuch, wurden über die Reling gehängt, damit die bauchigen Schiffsrümpfe der Koggen im starken Seegang nicht gegeneinander schlugen. Als beide Segler fest miteinander vertäut waren, legten die Seeleute eine schmale Planke aus, über die man von einem Schiff zum anderen wechseln konnte. Allein bei ihrem Anblick kroch Robins Magen schon wieder ein gutes Stück ihren Hals empor. Die Planke war kaum so breit wie zwei nebeneinander gelegte Hände und bog sich, unter dem Gewicht der Männer durch wie ein Seil, auf dem Gaukler ihre Kunststücke aufführten. Trotzdem stiegen Abbé und die anderen ohne zu zögern hinauf, um zur Sankt Gabriel überzuwechseln.
    Schließlich war die Reihe an Robin. Sie war die Letzte, die sich noch auf dem Achterdeck befand, abgesehen von Tobias, der aber keine Anstalten machte, auf das andere Schiff überzuwechseln, sondern ihr nur verschmitzt zublinzelte - wobei er sich nicht einmal die Mühe machte, seine Schadenfreude zu verhehlen. Robin lächelte gequält zurück, nahm all ihren Mut zusammen und trat auf die schmale Planke hinaus.
    Es waren nur wenige Schritte, aber sie starb tausend Tode, ehe sie endlich den Fuß auf das Deck der Sankt Gabriel setzte. Die beiden Schiffe lagen dicht nebeneinander, und dennoch schwankten sie gegenläufig im Rhythmus der Wellen, sodass ein einziger Fehltritt den Tod bedeuten konnte. Entweder würde sie zwischen den dicht beieinander liegenden Schiffsrümpfen buchstäblich zermahlen werden, oder aber, wenn sie ins Wasser stürzte, von ihrem schweren Kettenhemd in die Tiefe gezogen. Robin hatte Wasser - außer in einem Becken oder in einem Badezuber - noch nie besonders gemocht. Sie atmete erleichtert auf, als sie endlich wieder Schiffsplanken unter den Füßen spürte.
    Das Nächste, was sie bemerkte, war Abbés spöttischer Blick. Er gab sich so wenig Mühe wie zuvor Tobias, seine Schadenfreude zu verhehlen, wirkte zugleich aber auch besorgt, wobei Robin nicht ganz sicher war, ob diese Sorge tatsächlich nur ihrem Gesundheitszustand galt. Abbé drehte sich jedoch um, bevor sie eine entsprechende Frage stellen oder ihm einen fragenden Blick zuwerfen konnte, und Robin wandte sich ihrerseits um, als sie ein Geräusch hinter sich vernahm, das fast wie ein leiser Ruf klang.
    Sie erwartete, Salim auf dem Achterdeck der Sankt Christophorus stehen zu sehen, im Begriff ihr zu folgen. Tatsächlich erblickte sie ihn sofort, doch statt zu ihr auf die Sankt Gabriel zu wechseln, blieb der Tuareg reglos und hoch aufgerichtet auf dem Achterkastell des anderen Schiffes stehen. Das Geräusch, das sie gehört hatte, war das Klappern, mit dem die Planke zwischen den beiden Schiffen eingezogen wurde, und kein Ruf. Salim würde ihr nicht folgen und er machte auch keine Anstalten, ihr ein erklärendes Wort zuzurufen.
    Das versetzte ihrem Herzen einen scharfen Stich. Es dauerte zwei, drei verwirrte Sekunden, bis ihr bewusst wurde, dass er gar nicht anders konnte. Salim war nicht nur ein Tuareg, sondern auch ein strenggläubiger Moslem und damit ein Heide. Dass Bruder Horace ihn überhaupt in dieser Reisegesellschaft duldete, grenzte an ein
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