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Der Ring des Sarazenen

Der Ring des Sarazenen

Titel: Der Ring des Sarazenen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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speisen, bevor ihr auf die Sankt Gabriel überwechselt. Er hat den Schiffskoch die letzten Vorräte plündern lassen, um ein festliches Mahl aufzutischen… Ich glaube, es gibt einen schönen fetten Schweinsbraten.«
    Salim zog die Tür hinter sich zu, und Robin, die schon die Hand nach der Wasserschale ausgestreckt hatte, hielt mitten in der Bewegung inne und beugte sich würgend über den Eimer.
     
    Die Sankt Christophorus war ein richtiges Kreuzfahrerschiff. Mit ihren mehr als hundert Fuß Länge, nur einem Mast und den weit überragenden Bug- und Achterkastellen wirkte sie träge, beinahe schon schwerfällig. Aber Robin musste nur einen Blick über die niedrige Reling werfen, um zu sehen, mit welcher Geschwindigkeit das scheinbar so behäbige Schiff durch die Wellen pflügte.
    Sie hütete sich allerdings, dies zu tun. Irgendwie hatte sie es geschafft, sich zum ersten Mal seit einer Woche wieder einigermaßen gründlich zu waschen und die Kleidung eines Tempelritters anzulegen. Abbés Wunsch, sie möge in voller Rüstung erscheinen, hatte sie allerdings nur zum Teil entsprechen können. Zwar hatte sie Kettenhemd, Waffenrock und Stiefel angelegt, dafür aber sowohl den schweren Helm als auch Schild und Schwertgurt in ihrer Kabine zurückgelassen.
    Dass es ihr danach noch gelungen war, aus eigener Kraft hier herauf an Deck zu gelangen, erschien ihr fast unglaublich. Obwohl sich ihr revoltierender Magen mittlerweile einigermaßen beruhigt hatte, war sie nicht gewillt, ihr Glück und ihre ausgezehrten Kräfte weiter auf die Probe zu stellen. Denn in ihren Eingeweiden rumorte es noch immer, und sie war so wackelig auf den Beinen, dass sie sich mit beiden Händen an der Reling in ihrem Rücken festklammern musste. Immerhin hatte sich Salims Ankündigung eines fetttriefenden Schweinebratens nur als derber Scherz herausgestellt, den sie ihm nichtsdestotrotz heimzuzahlen gedachte.
    Bruder Horace, der die in geringem Abstand neben ihnen herfahrende Sankt Gabriel befehligte und in der Rangordnung des Ordens deutlich höher stand als Abbé, mochte so viel Wert auf Äußerlichkeiten legen, wie er wollte - letzten Endes hatte er sie zu einer Besprechung eingeladen, nicht zu einer Schlacht. Sollte er doch so missbilligend die Stirn runzeln, wie es ihm beliebte; für Robin gab es keinen Grund, in voller Bewaffnung vor ihm zu erscheinen. Vor allem, wenn diese Bewaffnung so viel wog, dass sie sich unter ihrem Gewicht nicht auf den Beinen hätte halten können.
    Der Wind frischte auf. Eine Welle zerbarst am Rumpf der Sankt Christophorus und überschüttete Robin mit einem Sprühregen aus winzigen Wassertröpfchen und weißem Schaum. Das eiskalte Wasser lief ihr den Hals hinab und sickerte in das grobe Wollhemd ein, das sie unter dem strahlend weißen Waffenrock, dem dick gepolsterten ledernen Gambeson und dem Kettenhemd trug. Ein kalter Schauer lief ihr über die Haut. Sie spürte, wie sich ihre Brustwarzen aufrichteten und sich an dem groben Wollstoff rieben. Gottlob bestand keine Gefahr, dass man ihre Weiblichkeit durch all die Kleidungsschichten hindurch bemerken würde.
    Obwohl sie jedes Mal, wenn das plumpe Schiff eine Welle durchpflügte, von einer Gischtwolke eingehüllt wurde, behielt sie trotzig ihren Platz an der Reling bei. Etwas anderes hätte sie sowieso nicht tun können. Nach Salims Worten zu urteilen erwartete Bruder Abbé sie und die anderen an Deck, aber sie konnte ihn weder in der Nähe noch auf dem Vorder- oder Achterkastell entdecken. Vermutlich steckte er irgendwo unter ihr, im bauchigen Mittelteil der Kogge. Sie hatte weiß Gott keine Lust, ihm dorthin zu folgen - nicht einmal, wenn sie sich körperlich dazu in der Lage gefühlt hätte. Gleich nach ihrer Ankunft an Bord und kurz bevor die Seekrankheit sie erwischte, war sie ein einziges Mal unten in den Frachträumen gewesen und dieser eine kurze Besuch hatte ihr die Lust auf jede Wiederholung gründlich vergällt.
    Obwohl das Schiff durchaus groß war, herrschte unter Deck drückende Enge, denn die Sankt Christophorus war zwar für den Transport von bis zu hundert Mann ausgelegt, beherbergte im Moment aber nahezu die doppelte Anzahl, und darüber hinaus noch ein Dutzend Pferde und eine ganze Wagenladung Waffen, Rüstungsteile und andere Ausrüstung. Von den Vorräten, die eine so große Mannschaft für eine einwöchige Überfahrt benötigte, ganz zu schweigen.
    Dort unten herrschten nicht nur drückende Enge und Dunkelheit, sondern auch Gestank, Hitze und
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