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Der Ring des Sarazenen

Der Ring des Sarazenen

Titel: Der Ring des Sarazenen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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Gabhel längsseits gegangen. Bruder Horace hat Abbé und die anderen zu einer Versammlung einberufen. Heute, bei Sonnenuntergang.«
    Robin blickte unwillkürlich zum Fenster. Das Licht, das durch das bunte Bleiglas hereinströmte, war schillernd und unstet, sodass es unmöglich war, aus seiner Helligkeit auf den Stand der Sonne zu schließen. Eine Woche Seekrankheit und Fieber hatten Robin jegliches Zeitgefühl genommen. So vermochte sie nicht zu sagen, ob es Morgen, Mittag oder Abend war.
    »In etwa zwei Stunden.« Salim hatte ihren Blick richtig gedeutet.
    »Eine Versammlung?«, fragte Robin stirnrunzelnd. »Hat er gesagt, warum?«
    Salim tauchte den Zipfel erneut in das heiße Wasser und hob zugleich die Schultern. »Vermutlich. Aber schließlich bin ich nur ein Sklave, und ein Heide dazu, den man bestimmt nicht in die Geheimnisse christlicher Politik einweiht.«
    »Und außerdem hast du riesige Ohren und kannst es an Geschwätzigkeit und Neugier mit den schlimmsten Waschweibern aufnehmen, die ich kenne«, behauptete Robin ungerührt.
    »Neugier vielleicht«, gestand Salim. Er fuhr nun mit dem nassen Tuch beinahe zärtlich über die dünne, aber deutlich sichtbare Narbe, die von Robins erster Begegnung mit dem Tod kündete. »Ich nehme aber an, es geht um unsere morgige Ankunft in Akko.«
    »Morgen schon?« Robin war überrascht.
    »Wir könnten schon heute dort ankommen, aber Bruder Horace wartet auf weitere Schiffe. Anscheinend hat er vor, mit einer ganzen Flotte in den Hafen von Akko einzulaufen.
    Und nun frag mich bitte nicht, warum, kleines Mädchen, denn das weiß ich wirklich nicht.«
    »Nenn mich nicht so«, sagte Robin in fast erschrockenem Ton.
    »Aber das bist du doch«, erwiderte Salim belustigt. »Jedenfalls warst du es, als ich das letzte Mal nachgesehen habe.«
    Robin überging seine Worte ebenso wie den fast anzüglichen Blick, mit dem er sie für einen Moment maß. Natürlich hatte er Recht, aber dass Bruder Robin nicht nur der jüngste der zweihundert Tempelritter war, die in Genua in See gestochen waren, sondern eigentlich Schwester Robin, das wussten außer Salim und ihr selbst nur zwei Menschen an Bord dieses Schiffes. Und für Robins Geschmack waren das im Grunde schon zwei zu viel. Sie wusste, dass Salim mitunter das Spiel mit dem Feuer liebte, aber ihm schien nicht klar zu sein, welch furchtbares Unheil er diesmal damit beschwor - nicht nur für sein und Robins Leben. Sollten die Falschen erfahren, was für ein Körper sich unter dem weißen Templergewand mit dem roten Tatzenkreuz verbarg, wäre es nicht nur um Salim und sie selbst geschehen - sondern auch um Bruder Abbé.
    »Wir gehen also morgen an Land?«, fragte sie - nicht um sich zu vergewissern, dass sie Salim auch richtig verstanden hatte, sondern um die ungute Stimmung zu vertreiben, die mit Salims Bemerkung und ihrer Reaktion darauf Einzug gehalten hatte.
    »Akko«, bestätigte Salim. »Es wird dir gefallen.«
    »Du warst schon einmal dort?«
    »Ich weiß nicht, ob es die prachtvollste Stadt der Welt ist«, sagte Salim - und Robin entging keineswegs, dass er ihre Frage damit ganz eindeutig nicht beantwortete -, »aber es ist mit Sicherheit die prachtvollste Stadt, die du jemals erblickt hast.«
    Daran zweifelte Robin keinen Augenblick. Sie hatte eine Menge Städte gesehen, seit sie ihre Heimat verlassen hatte, aber keine davon war auch nur im Geringsten prachtvoll gewesen. Das Wort Stadt bedeutete für sie vor allem Schmutz und Gestank, Enge und Lärm.
    »Und Horace?«
    Diesmal antwortete Salim nur mit einem Achselzucken. Sie selbst und Bruder Abbé waren keineswegs die Einzigen, die dem englischen Tempelritter mit Misstrauen begegneten.
    Salim stand auf. »Den Rest wirst du wohl selbst schaffen. Ich bringe dir gleich saubere Kleider - und deine Rüstung.«
    Um ein Haar hätte Robin laut aufgestöhnt. Ihre Rüstung? Der klebrige eiserne Topfhelm, das fast knöchellange feinmaschige Kettenhemd, die eisernen Handschuhe und die ebenfalls mit Eisen verstärkten Stiefel wogen zusammen fast mehr als sie, und dazu kamen noch Schild und Schwert. Vielleicht schaffte sie es noch, sich alleine anzuziehen - doch die kurze Treppe an Deck erschien ihr angesichts der bleischweren Rüstung als unüberwindliches Hindernis. Ganz zu schweigen davon, dass sie sich wohl kaum auf dem hin und her schwankenden Schiff würde auf den Beinen halten können.
    »Und beeil dich besser«, sagte Salim im Hinausgehen. »Bruder Abbé möchte noch mit dir
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