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Der Ring des Sarazenen

Der Ring des Sarazenen

Titel: Der Ring des Sarazenen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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und wieder ein Stück weit nach Norden zu segeln«, sagte er.
    Seine Worte blieben nicht ohne Wirkung. Die Gesichter der Ritter verdüsterten sich, und hier und da wurde Murren laut. Robin war offensichtlich nicht die Einzige, die die Aussicht, endlich wieder festen Boden unter den Füßen zu bekommen, begrüßt hatte.
    »Ich kann Eure Enttäuschung verstehen, Brüder«, fuhr Horace fort.
    »Aber es ist nur ein kleiner Umweg. Noch in dieser Nacht werden wir auf vier weitere Schiffe unseres Ordens treffen, mit denen wir uns vereinigen.«
    »Vier?« Abbé runzelte die Stirn und tauschte einen fragenden Blick mit Xavier, auf den er aber nur ein hilfloses Achselzucken erntete. Er wandte sich wieder Horace zu. »Darf ich fragen, warum?«
    »Auf direkten Befehl Odon von Saint-Amands hin«, antwortete Horace. Sein Gesicht verfinsterte sich. »Der frühe Wintereinbruch des vergangenen Jahres hat unsere Pläne unglückseligerweise gefährlich beeinträchtigt. Die Lage in Outremer ist bedrohlicher denn je, und nicht einmal der Großmeister selbst vermag im Moment zu beurteilen, was in Jerusalem geschieht. Aus diesem Grund ist Odo von Saint-Amand der Meinung - genau wie ich selbst im Übrigen -, dass wir gut daran täten, eine gewisse… Stärke zu demonstrieren.«
    »Stärke?«, fragte Dariusz. »Wem gegenüber?«
    »Auch in Akko gibt es Kräfte, die dem Orden nicht wohl gesinnt sind«, antwortete Horace. »Es wäre nicht opportun, mit zwei heruntergekommenen Schiffen voller halb toter Männer in den Hafen von Akko einzulaufen.«
    »Sondern vielmehr mit einer Flotte, die eine kleine Armee transportiert?« Abbé wiegte zweifelnd den Kopf. »Ihr spracht von Kräften, die dem Orden nicht wohl gesinnt sind, Bruder Horace. Wir alle hier wissen, wen Ihr damit meint. Aber wir wissen auch, dass die Ankunft einer kampfstarken Flotte - noch dazu bei der angespannten politischen Lage - die Situation eher noch verschärfen könnte. Es gibt mehr als einen Baron am Hofe in Jerusalem, dem der Orden schon jetzt militärisch zu mächtig ist. Ganz zu schweigen von den Johannitern… Die massierte Ankunft einer so kampfstarken Truppe könnte als Bedrohung aufgefasst werden, wenn nicht als Provokation.«
    Und ganz genau das soll sie auch, besagte Horaces Blick. Er antwortete jedoch nicht gleich, sondern sah Abbé für die Dauer von drei oder vier Atemzügen fast nachdenklich an, ehe er sagte: »Es war schon immer die Politik unseres Ordens, Stärke zu zeigen, nicht Schwäche. Es ist diese Stärke, die uns zu dem gemacht hat, was wir sind, nicht Diplomatie und politische Ränkespiele, Bruder Abbé. Und es ist diese Stärke, die uns am Ende zum Sieg verhelfen wird. Sie und Gottes Hilfe.« Er zeigte ein dünnes Lächeln. »Darüber hinaus habe ich einen direkten Befehl des Großmeisters erhalten, den zu kritisieren keinem von uns zusteht. Dass ich zufällig derselben Meinung bin, bedeutet gar nichts. Wir werden wahrscheinlich heute Nacht auf die anderen Schiffe treffen, spätestens jedoch morgen bei Sonnenaufgang. Auf dem Weg nach Akko stoßen dann noch zwei weitere Schiffe zu uns.«
    »Acht also«, stellte Abbé besorgt fest. »Wie viele Männer?«
    »Mehr als tausend«, antwortete Horace.
    Abbé ächzte. »Mehr als tausend Kämpfer in Rüstung und Waffen? In Gottes Namen, Bruder Horace, was habt Ihr vor? Wollt Ihr Akko im Sturmangriff nehmen?«
    »Wenn es sein muss, ja«, erwiderte Horace ruhig. »Doch so weit wird es nicht kommen. Schließlich kämpfen wir alle für die gleiche Sache, und unter dem Zeichen des Kreuzes.«
    Robin hörte kaum noch hin. Selbst wenn sie das Gespräch interessiert hätte, wäre es ihr schwer gefallen, ihm zu folgen. Sie verstand wenig von Politik und wusste sehr viel weniger von Horaces großem Geheimnis, als dieser zu glauben schien. In der begrenzten Welt ärmlicher Verhältnisse, in denen die meisten Menschen lebten und aus der auch sie stammte, spielte es keine Rolle, wer in Jerusalem herrschte, welcher Adelige durch welches Ränkespiel an die Macht kam und wessen Fahne über welcher Stadt wehte. Die allermeisten wussten nicht einmal, dass es eine Stadt namens Akko gab, und die, die es wussten…
    »Bruder Robin?«
    Die Stimme drang unangenehm scharf in ihre Gedanken, aber es vergingen noch einige Herzschläge, bis Robin wirklich begriff, dass sie niemand anderem als Horace gehörte und dass die Schärfe darin nicht eingebildet war. Sie suchte den Blick des Tempelritters und nahm erst jetzt wahr, dass Horace sich
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