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Der Ring Der Jaegerin

Der Ring Der Jaegerin

Titel: Der Ring Der Jaegerin
Autoren: Andrea Schacht
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siebzehn Jahren geschehen. »Waren da auch Familienpapiere bei? Stammbäume, Urkunden?«
    »Nein, Kathy. So etwas würde ich doch nicht aus der Hand geben. Nein, Papiere waren nicht dabei, und ich habe sogar … warte mal!«
    Mandy stand auf und verschwand in einem Nebenzimmer.
    »Gib mir den Rest von deiner Sahne.«
    »Jawohl.«
    Minni schleckte zierlich den Löffel ab und fuhr sich dann mit der Zunge über die Lippen.
    »Nette Frau, deine Ahnin.«
    »Sie schätzt es nicht, mit diesem Titel angeredet zu werden«, klärte ich Minni auf.
    »Sagtest du etwas, Kathy?«, rief Mandy aus dem Nachbarzimmer.
    »Nur zu der Katze. Kann ich dir etwas helfen?«
    »Nein, nein, ich hab es schon gefunden.«
    Stolz trug Mandy eine altersschwarze Holzkiste herein, und Minni setzte sich wie elektrisiert auf.
    »Das habe ich behalten. In diesem Kasten ist die alte Familienbibel. Ich hoffe, sie ist inzwischen nicht vermodert und zu Staub zerfallen.«
    Vorsichtig stellte sie den unhandlichen Kasten auf dem Tisch ab, und wir untersuchten den Verschluss.
    »Ob es einen Schlüssel dazu gibt?«, fragte ich ein bisschen hilflos.
    »Ich kann mich an keinen erinnern. Sieht auch nicht aus, als ob er ein Schloss hätte. Aber ich sehe nur die Scharniere hinten, keine Bügel oder Riegel.«
    Mit den Fingern strich sie über das geschnitzte Blattwerk, das sich rund um den Deckel rankte. Auch ich musterte die Kiste aufmerksam.
    »Vielleicht mit einem Messer oder Schraubenzieher?«, schlug ich vor.
    »Damit machst du ihn nur kaputt, du dummes Schaf! Hier und hier, sooo, jetzt kannst du den Deckel aufmachen.«
    Minni leckte sich ein mikroskopisches Stäubchen von der Pfote, mit der sie auf zwei unscheinbare Rosetten gedrückt hatte.
    »Was für ein kluges Tier, Kathy. Also wirklich. Minerva, ganz hervorragend. Zum Lohn noch ein Löffelchen Sahne?«
    »Mit Vergnügen.«
    Das »dumme Schaf« würde ich mir merken. Aber jetzt betrachtete ich erst einmal den Inhalt der Kiste. Ein vom Alter brüchig gewordener Ledereinband mit einem eingeprägten Kreuz war zu sehen. Ganz vorsichtig hob ich das schwere Buch heraus. Aber meine Umsicht war überflüssig, die Bibel befand sich in einem außerordentlich guten Zustand. Die Blätter waren zwar an den Rändern vergilbt, und es schien, dass einige Kapitel besonders gern gelesen worden waren. Die Weihnachtsgeschichte wirkte reichlich abgegriffen, aber auch die Bergpredigt und ein paar heiße Storys aus dem Alten Testament hatten sich einer gewissen Beliebtheit erfreut. Aber ich sollte mich wohl besser den Einträgen im hinteren Bereich widmen. O weh, die alten, krausen Schriften!
    »Kannst du das entziffern, Mandy?«
    »Rück mal zur Seite. Am besten fangen wir mit den letzten Daten an, um uns an die Schrift zu gewöhnen.«
    Als ich sie so eifrig in den beschriebenen Seiten blättern sah, rutschte mir eine Bemerkung heraus, für die ich mir am liebsten die Zunge abgebissen hätte. »Kannst du das so ohne Brille lesen?«
    Aber Mandy, die normalerweise auf alles allergisch reagierte, was mit ihrem Alter zu tun hatte, bemerkte nur nebenbei: »Kontaktlinsen!«
    Dann zeigte sie mit ihrem schlanken, langen Zeigefinger – farbloser Nagellack – auf eine Eintragung.
    »Da – meine Mutter hat in der Tat sogar noch deinen Namen hier vermerkt. Katharina Leyden, Tochter von Hannelore und Gotthilf Leyden. Die letzte Eintragung. Eigentlich sollten wir Oma Elfriedes Tod vermerken, nicht?«
    »Ja, nachher. Lass uns die Sache zurückverfolgen.«
    Ich war richtiggehend neugierig geworden. Hochzeitsdatum meiner Eltern, meiner Onkel und Tanten, Todesdaten, in den Vierzigern dieses Jahrhunderts viele, darunter Mandys zwei Söhne. Ich ging schweigend darüber hinweg. Auch über das Hochzeitsdatum von Amanda Maria – wie Mandy wirklich hieß – und ihr Geburtsdatum verlor ich kein Wort. Ich fand aber Urgroßmutter Elfriede Birkhain, geborene Graefen, sie war wirklich alt geworden, neunzig Jahre hatte sie gelebt.
    Ein leichter Schauder erfasste mich. Ich hatte eine Frau gekannt, die noch im vergangenen Jahrhundert geboren war. Die Schrift hatte irgendwann in den Zwanzigern gewechselt, vielleicht hatte Urgroßmutters Mutter die Eintragungen davor gemacht, oder deren Mutter. Ich gewöhnte mich langsam an das Geschnörkel. Wenn man erst einige Worte gedeutet hatte, ging der Rest einigermaßen. Ich quälte mich durch ein paar unnötige Seitenzweige und fand Elfriedes Mutter, die offensichtlich nur ein kurzes Leben genossen hatte. Sie war
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