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Der Richter

Der Richter

Titel: Der Richter
Autoren: John Grisham
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Schlechtwetterfron-ten für niedrig hängende Wolken und Winde, die für kleine Flugzeuge zu gefährlich waren. Als die Vorhersage für die nächsten Tage schließlich überall bis auf den Süden von Texas ruhiges, trockenes Wetter ankündigte, verließ Ray Charlottesville in einer Cessna und trat den längsten Überlandflug seiner kurzen Pilotenlaufbahn an. Er vermied die großen Flugkorridore und orientierte sich an auffälligen Landmarken. Nachdem er das Shenandoah Valley und Westvirginia überflogen hatte, tankte er in Kentucky auf einem kleinen Flugplatz in der Nähe von Lexington. Die Cessna konnte etwa dreieinhalb Stunden in der Luft bleiben, bevor die Tankanzeige unter ein Viertel fiel. In Terre Haute legte er erneut einen Zwischenstopp ein. Er überflog den Mississippi bei Hannibal und landete gegen Abend in Kirks-ville, Missourl, wo er sich ein Zimmer in einem Motel nahm.
    Seit der Odyssee mit dem Geld hatte er nicht mehr in einem Motel über-nachtet, und in diesem war er ebenfalls nur wegen des Geldes. Weil er sich in Missouri befand, erinnerte er sich, während er in seinem Zimmer durch die stumm geschalteten Fernsehprogramme zappte, daran, wie Patton French bei einem Seminar über Schadenersatzprozesse in St. Louis über Ryax gestolpert war. Ein alter Anwalt aus einer Kleinstadt in den Ozarks hatte einen Sohn, der an der Universität von Columbia lehrte und wusste, dass das Medikament verheerende Nebenwirkungen hatte. Wegen Patton French und dessen unersättlicher Gier und Korruptheit saß er, Ray Atlee, nun erneut in einer Stadt, wo er nicht eine Menschenseele kannte.
    Über Utah entwickelte sich eine Schlechtwetterfront. Ray startete direkt nach Sonnenaufgang und stieg auf tausendfünfhundert Meter. Nachdem er die Ruder getrimmt hatte, öffnete er einen großen Becher mit dampfendem schwarzen Kaffee. Auf dem ersten Streckenabschnitt flog er mehr nach Norden als nach Westen. Bald sah er unter sich die Kornfelder von Iowa.
    Fünfzehnhundert Meter über der Erde, in der kühlen, ruhigen Luft des frühen Morgens und ohne einen einzigen Piloten, der über Funk plaudern wollte, versuchte Ray, sich auf die vor ihm liegende Aufgabe zu konzentrieren. Doch es war viel verlockender, einfach nur dahinzugleiten, die Einsamkeit, die Aussicht und den Kaffee zu genießen und sich darüber zu freuen, dass er die Welt tief unter sich gelassen hatte. Besonders angenehm war es, jeden Gedanken an seinen Bruder zu verdrängen.
    Nach einer Zwischenlandung in Sioux Falls wandte er sich erneut nach Westen und folgte der Interstate 90 durch den gesamten Bundesstaat South Dakota, bis er dem Sperrgebiet um den Mount Rushmore ausweichen musste. In Rapid City landete er und mietete ein Auto, mit dem er lange im Badlands-Nationalpark herumfuhr.
    Die Morningstar Ranch lag irgendwo in den Hügeln südlich von Kallspell, wobei die Website bewusst keine genauen Angaben machte.
    Oscar Meave hatte vergeblich versucht, ihre genaue Lage herauszufinden.
    Am Ende seines dritten Reisetages landete Ray nach Einbruch der Dunkelheit in Kalispell. Er mietete erneut ein Auto, aß irgendwo zu Abend, suchte sich ein Motel und studierte seine Luft- und Straßenkarten mehrere Stunden lang.
    Er verbrachte einen weiteren Tag damit, in niedriger Höhe über Kalispell und den Städtchen Woods Bay, Pollson, Bigfork und Elmo herumzufliegen.
    Ein halbes Dutzend Mal überquerte er den Flathead Lake, und er war schon bereit, den Luftkrieg aufzugeben und Bodentruppen zu schicken, als er in der Nähe der Stadt Somers am Nordufer des Sees eine Anlage entdeckte. In fünfhundert Meter Höhe kreiste er darüber, bis er einen massiven Zaun aus grünem Maschendraht bemerkte, der fast vollständig in den Wäldern verborgen und von der Luft aus kaum zu erkennen war. Er sah kleinere Ge-bäude, die offenbar Wohnzwecken dienten, ein größeres, in dem vermutlich die Verwaltung untergebracht war, ein Schwimmbecken, Tennisplätze und eine Scheune, in deren Nähe Pferde grasten. Ein paar Menschen innerhalb des Komplexes unterbrachen ihre verschiedenen Tätigkeiten und blickten herauf, um zu sehen, wer so lange über ihnen kreiste.
    Die Anlage war auf dem Boden genauso schwierig zu finden wie aus der Luft, doch gegen Mittag des nächsten Tages parkte Ray vor einem unmarkierten Tor und starrte herausfordernd einen bewaffneten Wachmann an, der ebenso herausfordernd zurückstarrte. Nach ein paar angespannten Fragen gab der Mann schließlich zu, dass Ray tatsächlich den Ort
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