Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Richter

Der Richter

Titel: Der Richter
Autoren: John Grisham
Vom Netzwerk:
an derselben Stelle wie du. Siebenundzwanzig Kartons. Im ersten waren einhunderttausend, so dass ich mir ausrechnen konnte, wie viel es insgesamt war. Ich saß stundenlang da und starrte die Kartons an, die sich in dem Schrank stapelten und völlig unscheinbar aus-sahen. Ich dachte, er würde vielleicht aufstehen, im Gang herumwandern und mich dabei erwischen, wie ich seine Schachteln anglotze. Irgendwie habe ich gehofft, dass es so kommt. Dann hätte er mir alles erklären können.« Forrest legte die Hände auf den Tisch und starrte Ray wieder an. »Bis zum Sonnenaufgang hatte ich mir einen Plan ausgedacht. Ich wollte das Problem mit dem Geld dir überlassen - dir, dem Erstgeborenen, dem Lieb-lingssohn, dem großen Bruder, dem Goldjungen, dem Superstudenten, dem Juraprofessor, dem Nachlassverwalter. Dem Menschen, dem er am meisten vertraute. Ich werde Ray beobachten, sagte ich mir, und sehen, was er mit dem Geld anfängt. Was auch immer er tut, es muss richtig sein. Also schloss ich den Schrank, schob das Sofa davor und tat so, als hätte ich das Geld nie gefunden. Fast hätte ich den Alten danach gefragt, aber dann kam ich zu dem Schluss, dass er mir bestimmt davon erzählt hätte, wenn er gewollt hätte, dass ich Bescheid weiß.«
    »Wann hast du die Einladung an mich getippt?«
    »Später an dem Tag. Er schlief unter den Hickorybäumen im Garten in seiner Hängematte. Es ging ihm wesentlich besser, aber er war auf das Morphium angewiesen und erinnerte sich nur undeutlich an die vorange-gangene Woche.«
    »Und am Montag hast du ihn dann nach Tupelo gefahren?«
    »Ja. Er wäre selbst gefahren, aber nachdem ich da war, bat er mich, den Chauffeur zu spielen.«
    »Und du hast dich zwischen den Bäumen vor der Klinik versteckt, damit dich keiner sieht.«
    »Du bist ja gut informiert. Was weißt du noch?«
    »Nichts. Ich habe nur Fragen. An dem Tag, als ich die Einladung erhielt, hast du mich abends angerufen und behauptet, du hättest auch eine bekommen. Du hast mich gefragt, ob ich mich telefonisch bei Vater melden würde, und ich sagte nein. Was, wenn ich ihn angerufen hätte?«
    »Das Telefon in Maple Run war kaputt.«
    »Wie das?«
    »Die Telefonleitung läuft durch den Keller, und da unten war ein Kontakt locker.«
    Ray nickte. Ein weiteres kleines Geheimnis war gelöst.
    »Außerdem ging er meistens sowieso nicht ans Telefon«, setzte Forrest hinzu.
    »Wann hast du sein Testament neu geschrieben?«
    »Am Tag vor seinem Tod. Ich fand das alte, aber das gefiel mir nicht.
    Also korrigierte ich seinen Fehler und teilte das Erbe gerecht zwischen uns beiden auf. Was für eine lächerliche Idee - zu gleichen Teilen. Was für ein Idiot ich war. Ich kenne mich eben nicht mit den Gesetzen aus. Ich dachte, da wir die einzigen Erben sind, wird alles in zwei Hälften geteilt. Mir war nicht klar, dass Rechtsanwälte darin geübt sind zu behalten, was sie finden, ihre Brüder zu bestehlen, Vermögen zu verstecken, das ihnen in Verwahrung gegeben wurde, ihren Eid zu ignorieren. Das hatte mir niemand gesagt. Ich habe versucht, fair zu sein. Wie dumm von mir.«
    »Wann starb er?«
    »Zwei Stunden, bevor du kamst.«
    »Hast du ihn getötet?«

    Ein verächtliches Schnauben, aber keine Antwort.
    »Hast du ihn getötet?«, wiederholte Ray.
    »Nein, der Krebs hat ihn getötet.«
    Ray beugte sich vor, um seinen Bruder ins Kreuzverhör zu nehmen.
    »Nur damit keine Zweifel aufkommen: Du hast acht Tage lang da rumge-hangen, und er stand die gesamte Zeit unter Drogen. Dann stirbt er prakti-scherweise zwei Stunden vor meiner Ankunft.«
    » Richtig.«
    »Du lügst.«
    »Also gut, ich habe ihm mit dem Morphium geholfen. Fühlst du dich jetzt besser? Er weinte vor Schmerzen, konnte weder laufen noch essen, noch trinken, er konnte nicht aufs Klo gehen und nicht einmal auf einem Stuhl sitzen. Du warst nicht dabei, aber ich. Er hat sich für dich fein ange-zogen. Ich rasierte ihn und half ihm auf das Sofa. Er war zu schwach, um sich Morphium zu spritzen, also tat ich es für ihn. Er schlief ein, und ich verließ das Haus. Dann kamst du. Du fandest ihn und das Geld, und damit fingen die Lügen an.«
    »Weißt du, woher das Geld stammt?«
    »Nein. Aus irgendeiner Quelle an der Küste, nehme ich an. Im Grunde ist es mir egal.«
    »Wer hat mein Flugzeug abgefackelt?«
    »Das war ein Verbrechen, und deshalb weiß ich darüber nichts.«
    »Dieselbe Person, die mich einen Monat lang beschattet hat?«
    »Ja. Eigentlich waren es zwei, Leute, die ich aus
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher