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Der Richter

Der Richter

Titel: Der Richter
Autoren: John Grisham
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Dollar.«
    Forrest zuckte die Achseln, als wäre Geld kein Problem und als könnte er genauso gut drei oder fünf Jahre bleiben.
    »Stehst du unter Beruhigungsmitteln?« Ray versuchte, ihn zu provozieren.
    »Nein.«
    »Du benimmst dich aber so.«
    »Die geben einem hier keine Medikamente. Du kannst dir sicher nicht vorstellen, warum, oder?« Seine Stimme klang jetzt leicht gereizt.
    Ray hatte die tickende Uhr vor Augen. Nach exakt dreißig Minuten wür-de Allison zurück sein, um das Gespräch zu beenden und Ray für immer aus dem Gebäude und der Anlage zu eskortieren. Er brauchte viel mehr Zeit, um über alles zu reden, und so war Effizienz gefragt. Gehen wir es direkt an, sagte er sich selbst. Mal sehen, wie viel er zugibt.
    »Ich habe mir Vaters Testament und die ›Vorladung‹, mit der er uns für den 7. Mal nach Maple Run bestellte, angesehen und die Unterschriften geprüft. Ich glaube, es handelt sich um Fälschungen.«
    »Schön für dich.«
    »Ich weiß nicht, wer sie gefälscht hat, aber ich habe dich im Verdacht.«
    »Verklag mich doch.«
    »Du leugnest es also nicht?«
    »Würde das etwas bringen?«
    Ray wiederholte diese Worte halb laut und in angewidertem Ton. Seine Verärgerung wuchs, während er sie aussprach. Es folgte eine lange Pause.
    Die Uhr tickte. »Ich habe die Einladung an einem Donnerstag erhalten. Sie war in Clanton am Montag abgestempelt worden, an dem Tag, an dem du Vater zur Taft-Klinik in Tupelo gefahren hast, wo er sich Morphium be-sorgte. Eine Frage: Wie ist es dir gelungen, das Schreiben auf seiner alten Underwood zu tippen?«
    »Ich muss deine Fragen nicht beantworten.«
    »Klar musst du das. Du steckst hinter diesem Schwindel, Forrest. Das Mindeste, was du tun kannst, ist, mir zu erklären, was passiert ist. Du hast gewonnen. Der alte Herr ist tot, das Haus zerstört, und du hast das Geld.
    Ich bin der Einzige, der dir auf der Spur ist, und ich bin bald wieder verschwunden. Sag mir, was passiert ist.«
    »Er hatte bereits eine Morphium-Ampulle.«
    »Gut, du hast ihn also zur Klinik gefahren, damit er sich noch eine besorgt oder die alte auffüllen lässt. Darum geht es nicht.«
    »Aber es ist wichtig.«
    »Warum?«
    »Weil er unter Drogen stand.« Ein kleiner Riss wurde sichtbar in der Fassade, die man Forrest hier verpasst hatte. Er nahm die Hände vom Tisch und wandte den Blick ab.
    »Er hatte also Schmerzen«, sagte Ray in der Hoffnung, irgendwelche Gefühle zu wecken.
    »Ja.« Forrest wirkte völlig gleichgültig.
    »Und du dachtest, wenn du ihn unter genügend Morphium setzt, kannst du im Haus tun und lassen, was du willst.«
    »So ungefähr.«
    »Wann bist du zum ersten Mal heimgefahren?«
    »Ich kann mich nicht an Daten erinnern, das war schon immer so.«
    »Spiel nicht den Idioten, Forrest. Er starb an einem Sonntag.«
    »Ich kam an einem Samstag an.«
    »Acht Tage vor seinem Tod?«
    »Ich glaube schon.«

    »Und warum bist du hingefahren?«
    Forrest faltete die Hände vor der Brust und senkte den Blick. Seine Stimme wurde leiser. »Er rief mich an und bat mich, ihn zu besuchen. Ich fuhr gleich am nächsten Tag hin. Er wirkte unglaublich alt und krank und einsam.« Ein tiefer Atemzug, ein kurzer Blick auf seinen Bruder. »Die Schmerzen waren entsetzlich. Selbst mit den Schmerzmitteln ging es ihm sehr schlecht. Wir saßen auf der Veranda, sprachen über den Krieg und darüber, dass alles anders gekommen wäre, wenn Jackson nicht bei Chancellorsville gestorben wäre. Du weiß schon, die alten Schlachten, die er immer wieder durchlebte. Wegen der Schmerzen konnte er nicht ruhig sitzen, manchmal blieb ihm sogar die Luft weg, aber er wollte unbedingt reden. Wir begruben das Kriegsbeil nicht, versuchten auch nicht, unseren alten Streit beizulegen. Wir hatten nicht das Bedürfnis, es war ihm genug, dass ich da war. Ich schlief auf dem Sofa in seinem Arbeitszimmer. In der Nacht wachte ich auf und hörte ihn schreien. Er lag in seinem Zimmer auf dem Boden, die Knie ans Kinn gezogen, und zitterte vor Schmerzen. Ich brachte ihn wieder ins Bett und half ihm mit der Morphiumspritze. Irgendwann schlief er wieder ein. Es war drei Uhr morgens, aber ich konnte nicht mehr schlafen und fing an, im Haus herumzuwandern.«
    Der Erzählstrom schien zu versiegen, aber die Uhr tickte weiter.
    »Und dabei hast du das Geld gefunden«, sagte Ray.
    »Welches Geld?«
    »Das Geld, von dem du hier siebenhundert Dollar pro Tag zahlst.«
    »Oh, das Geld.«
    »Genau, das Geld.«
    »Ja, damals fand ich es,
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