Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Regler

Der Regler

Titel: Der Regler
Autoren: Max Landorff
Vom Netzwerk:
einem blassen, bläulichen Licht leuchten, als er einen Servicecode eintippte, der umgehend seine Handynummer änderte – und die neue Nummer automatisch per SMS an alle Personen in seinem Kontaktspeicher verschickte. So schnell würde ihn diese Frau nicht mehr erreichen können.

Dritter Tag
13. Mai
    München, Hofgarten, 10 Uhr
    Gabriel Tretjak hatte keine Sekretärin, kein Büro, keine Mitarbeiter. Er delegierte nichts. Er legte viel Wert auf diese Exklusivität: Seine Auftraggeber konnten sicher sein, dass Tretjak persönlich alles erledigte, was nötig war. Er verschickte die Mail, er schrieb den Brief, er unternahm die Reisen. Ein Ein-Mann-Unternehmen, das nur funktionierte, wenn es perfekt organisiert war. Er hatte die Abläufe immer weiter verbessert. Tretjak hatte sich dabei von einem Spezialisten beraten lassen, dem Inder Rashid Manan, der auf der ganzen Welt die Organisation großer Krankenhäuser umstrukturierte. Manan war in Peking tätig, in New York, in Mumbai wie in Paris. Er hatte die Methode der konkurrierenden Prioritäten entwickelt, die er zum Kern eines jeden neuen Klinikplans machte. In einem Krankenhaus ging es in jeder Minute um die Fragen: Was ist das Wichtigste, das geschehen muss? Was ist das Zweitwichtigste, das geschehen muss?, und so weiter. Die Klinik mit den Tausenden Patienten war sozusagen die Hardware, die eine Software brauchte. Und die lieferte Rashid Manan.
    Tretjak rückte die gleichen Fragen in den Mittelpunkt seines Arbeitsalltags. Was war jetzt sofort zu tun? Was war morgen dran? Was in einer Woche? Was hatte Zeit? Und was hatte sich erledigt? Er befand sich stetig auf verschiedenen Zeitschienen, die er jeden Morgen neu miteinander abstimmte.
    Für den heutigen Vormittag hatte er sich vier Telefonate vorgenommen. Der vierte Anruf war eigentlich unbedeutend, hatte nichts zu tun mit den wichtigen anderen Zeitschienen. Doch genau dieser Anruf sollte ihn ratlos und beunruhigt zurücklassen.
     
    Es war kurz nach zehn Uhr, als Tretjak von seiner Wohnung Richtung Hofgarten spazierte. Er telefonierte gerne in diesem Park, weil es dort so ruhig und friedlich war. Am liebsten vorn unter den Arkaden, wo man meinen konnte, man sei in Italien, nur ohne Menschen.
    Er rief eine Nummer in seinem Handy auf. Er wollte den Auftrag von Melanie Schwarz, den er vorgestern in Colombo auf den Weg gebracht hatte, weitgehend abschließen.
    »Ja, Fritzen.«
    »Hier Gabriel Tretjak. Ich wünsche Ihnen einen guten Morgen.«
    »Das wünsche ich Ihnen auch, Herr Tretjak. Also, was soll ich sagen? Ich denke, ich muss mich bei Ihnen bedanken. Ich habe Ihr Päckchen mit den Unterlagen erhalten und den Sachverhalt geprüft, so weit dies in der kurzen Zeit möglich war. Es scheint eine Tatsache zu sein, dass unsere zwei Vorstände hier eine Intrige am Laufen haben. Das ist natürlich höchst unerfreulich, es hätte ja nicht nur Herrn Schwarz den Job gekostet, sondern uns eine Menge Geld.«
    »Nach meinen Informationen«, sagte Tretjak, »sieht es für Ihre Firma noch ganz gut aus. Ich schätze, Herr Schwarz kann die Kooperation mit Union Carry jetzt noch hinkriegen.«
    »Ach, Herr Tretjak, ich liebe Ihren Optimismus. Wir werden sehen. Ihren Vorschlag habe ich schon umgesetzt: Ich habe Meinhardt und Busse angekündigt, dass Sie heute Morgen noch Anrufe von Ihnen erhalten. Ich habe mir erlaubt, ein paar Worte zu verlieren. Sagen wir es so: Sie sind ganz schön ins Schwitzen gekommen.«
    Das Gespräch zwischen Tretjak und Joachim Fritzen, dem Aufsichtsratsvorsitzenden der Firma für Kühlmittelaggregate, war problemlos, da man sich kannte. Sie hatten vor vier Jahren schon einmal zusammengearbeitet. Tretjak suchte bei jedem Auftrag immer sofort nach einer Verbindung in seine Netzwerke, dem Ansatzpunkt für einen Hebel. Ein zufriedener Klient von früher war immer ein guter Ausgangspunkt.
    Fritzen hatte damals selbst den Auftrag erteilt. Der Job war reibungslos verlaufen, von der Sorte, die Tretjak mochte: Als alles zu Ende war, hatte es nur Gewinner gegeben.
    Joachim Fritzen war damals noch Vorstandsvorsitzender eines anderen Unternehmens gewesen. Die wirtschaftliche Situation der Firma war derart angespannt, dass es überlebensnotwendig war, einen großen Auftrag in der Türkei zu bekommen. Doch es existierte ein Mitkonkurrent, eine andere Firma, die im Vorteil schien. Tretjak wurde eingeschaltet – und Fritzens Firma bekam den Zuschlag. Sicher, Tretjak hatte Druck gemacht, auch Tricks angewandt, aber er
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher