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Der Regen in deinem Zimmer - Roman

Der Regen in deinem Zimmer - Roman

Titel: Der Regen in deinem Zimmer - Roman
Autoren: Aufbau
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Doch heute ist ein weiterer Umschlag aus van Goghs Heimat gekommen. Übrigens, warst du in seinem Museum?
    Behutsam wie beim ersten Mal öffne ich ihn: noch eine Zeichnung. Doch diesmal bist auch du darauf. Ich und du, nachts auf deinem Roller. Im Hintergrund wieder das Meer. Das ist die Nacht vom Mouse, stimmt’s? Es war schön, sich gerettet zu fühlen, sicher und gerettet. Seit meiner Mutter hat mir niemand mehr dieses Gefühl gegeben. Bereits in jener Nacht ist mir vieles über dich klar geworden, doch ich wollte es nicht wahrhaben, ich glaubte, es wäre nicht wichtig und reiner Zufall. Wie lange sind wir herumgefahren? Du musst ganz schön gefroren haben, doch es war dir egal.
    Jetzt frage ich mich, wieso ich, statt mich darüber zu beschweren, dass du nie etwas sagst, nicht von mir erzählt habe, von meiner Mutter, von den Dingen, die mir Angst machten. Du warst auch der einzige Freund, den ich hatte, doch das habe ich nicht gleich begriffen. Wie dumm von mir.
    Weißt du, warum ich mit Giovanni ausgegangen bin? Weil ich unserer Beziehung nicht traute, es sah gar nicht nach einer richtigen Beziehung aus. Was sollte ich denn tun? Wenn ich die Gelegenheit gehabt hätte, wenn du nicht immer nach deinem eigenen Kopf gehandelt hättest und nicht fortgegangen wärst, hätte ich es dir erklärt.
    Und was machst du jetzt? Arbeitest du? Bist du tatsächlich Maurer geworden? Ich muss grinsen, wenn ich daran denke, denn ich weiß, dass selbst du nicht daran geglaubt hast, sosehr du auch darauf bestanden hast, nichts anderes machen zu wollen.
    Ich lege die zweite Zeichnung in eine hellblaue Mappe, die ich eigens dafür gekauft habe. Vergeblich versuche ich, mir dich in dieser unbekannten Stadt vorzustellen. Ich lege die Zeichnungen nebeneinander und betrachte sie. Deine Worte sind hier, in diesen Strichen auf dem Papier. Sie sind für mich, aber vor allem für dich. Es war richtig von dir, zu gehen, wenn es das ist, was du wolltest. Aus der Ferne lassen sich die Dinge vielleicht besser begreifen. Weißt du noch, was man von den Pärchen sagt, die sich beim Schulfest bilden? Ich kläre dich auf: Wir sind Schnee von gestern. Schade, hätte es zwischen uns gehalten, wir hätten die Ausnahme von der Regel sein können.
    Jetzt muss ich lernen. Ciao, Zero.
    Deine Zeta

30. Mai
    Eine Zeichnung im Monat. So ist das, jetzt hab ich’s begriffen. Diese hier ist wirklich irre: Du und ich an unserem Tisch, frontal, amerikanische Einstellung, könnte man sagen. Du siehst wie immer Richtung Fenster, und ich schaue geradeaus, womöglich folge ich dem Unterricht, denn ich mache ein ganz konzentriertes Gesicht. Du hingegen runzelst die Stirn und guckst grimmig. Der Rest der Klasse ist nur flüchtig angedeutet, eine Wolke aus Linien und Kringeln. Der Rest zählt nicht, das Einzige, was deutlich ist, sind du und ich. Ich muss lächeln, Sehnsucht nach Zerolandia, die verlorene Heimat. Dorthin habe ich mich geflüchtet, dort bin ich gestrandet, als ich glaubte, etwas tun und der Welt zeigen zu müssen, dass sich in meinem Leben alles für immer verändert hatte. Und da warst du, der König eines leeren Reiches. Fehlt dir Zerolandia?
    Wir warten auf dich, weißt du? Wer denn bitte, wirst du dich fragen. Alle. Die Spuren, die du am Platz hinterlassen hast, die Kaugummis, die unter der Tischkante kleben, die abgenutzte Tischplatte, das Fenster, aus dem nur du schautest, der leere Stuhl. Es stimmt nicht, dass nur Menschen an Sehnsucht leiden, die Dinge tun es auch. Ich sehe es den Dingen an, die meine Mutter zurückgelassen hat, jedes Mal, wenn ich sacht ihr Zimmer betrete. Alles ist dort und wartet und will es einfach nicht fassen, genau wie ich. Kleine, trotzige Gegenstände. Und dann bin da ich. Ich lausche deiner Abwesenheit, und sie erzählt mir von dir, erinnert mich an Details, ruft mir dieKleinigkeiten ins Gedächtnis: wie deine Hand über dem Papier verharrte, ehe du zu zeichnen anfingst; dein aus dem Augenwinkel gemustertes Profil; dein als tiefer Atemzug getarntes Schnauben, wenn du genervt warst. Solche Sachen: nichts Besonderes, nichts, was man ernsthaft jemandem schildern könnte.
    Übrigens gibt es bei mir was Neues. Diesen Sommer nach dem Abi fahre ich mit Angela nach Griechenland zum Segeln. Schön, nicht wahr? Und ich habe beschlossen, mich für Mathe einzuschreiben, Zahlen habe ich schon immer gemocht, sie haben etwas Beruhigendes. Das mit Griechenland hast du mir in den Kopf gesetzt, du und meine Mutter. Mit ihr kann ich nicht
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