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Der Rattenfänger

Der Rattenfänger

Titel: Der Rattenfänger
Autoren: James McGee
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perplexen Kutscher die Reisetasche mit der Beute aus der Hand und lief zu seinem Pferd. Er hatte es so eilig, dass sein Fuß den Steigbügel verfehlte und er fast gestürzt wäre. Mit einem verärgerten Knurren hievte er sich mühsam in den Sattel, und sein Komplize gab ihm die Zügel seines Pferds.
    Inzwischen hatte es wieder heftig zu regnen begonnen. Der Mörder und sein noch immer stummer Gefährte preschten davon, denn das Geräusch der herangaloppierenden Patrouille war jetzt unüberhörbar.
    Die beiden bohrten ihre Sporen in die Flanken ihrer Pferde und waren innerhalb weniger Sekunden verschwunden – die überlebenden Reisenden konnten es kaum fassen, so schnell hatten Nacht und Regen die Mörder und Wegelagerer verschluckt.

1
    Den Zuschauern, die sich auf dem hinter der Taverne Blind Fiddler gelegenen Hof mit den Stallungen versammelt hatten, war schnell klar geworden, dass der jüngere der beiden Boxer, Reuben Benbow, seinem Gegner weit überlegen war. Benbow stammte aus Cornwall; Jack Figg war ein Einheimischer und obwohl kräftiger und stärker, hatte er Benbows Taktik und Behändigkeit wenig entgegenzusetzen.
    Der Mann aus Cornwall war über ein Meter achtzig groß und hatte kein Gramm Fett an seinem muskulösen Körper, ein Verdienst seines Gönners, des besten Faustkämpfers des West Countrys, Jethro Ward. Sein Gesicht war von den Kämpfen noch nicht gezeichnet, obwohl er sich bereits einen Ruf als harter, wenn nicht sogar skrupelloser Boxer erworben hatte.
    Jack Figg hingegen war von gedrungener Statur und hatte ein Gesicht, das mehr als siebzig unbarmherzige Faustkämpfe mit bloßen Händen gezeichnet hatten. Es hieß, Figg habe als junger Mann einen Ochsen mit einem einzigen Faustschlag zu Boden strecken können, und es hieß auch, er habe sogar einmal gegen den großen Tom Cribb gekämpft.
    Die Regeln des Kampfs waren einfach: keine Schläge unterhalb der Gürtellinie. Alle anderen Techniken waren erlaubt, selbst wenn es bedeutete, dass man seinem Gegner das Rückgrat brach.
    Eine neue Runde begann. Und da Jack Figg um seine Schwäche wusste, versuchte er, so nahe wie möglich an Benbow heranzukommen, was der Jüngere klug zu verhindern wusste. Er plante, den Älteren auf diese Weise zu ermüden, um den Kampf risikolos zu gewinnen. Niemand wusste, wie lange ein solcher Kampf dauerte – vielleicht fünfzig, ja sogar sechzig Runden. Also gewann immer der Mann, der besser in Form war, denn die meisten Begegnungen wurden nicht durch ein K. o. entschieden, sondern durch die Unfähigkeit des Gegners weiterzukämpfen. Etwa, weil er sich die Hand gebrochen, einen Arm ausgerenkt hatte oder seine Fäuste so geschwollen waren und bluteten, dass er nicht mehr richtig zuschlagen konnte.
    Der Faustkampf am Nachmittag hatte mehrere hundert Zuschauer aus allen Bevölkerungsschichten angelockt: Handwerker, Holzarbeiter, Lehrlinge, Stallknechte und Matrosen.
    Es gab auch andere, feiner gekleidete Männer: Gecken und Dandys, die sich anlässlich dieses Ereignisses heute nicht in einem ihrer Clubs in der Pali Mall oder St. James trafen, sondern es vorzogen, den Vergnügungen der unteren Schichten in einem der anrüchigen Viertel der Hauptstadt zu frönen. Wozu auch die billigen Huren gehörten, die nur zu bereit waren,gegen bare Münze in einer dunklen Ecke oder in einem rattenverseuchten Bordell eine schnelle Nummer zu schieben. Und natürlich fanden sie es besonders reizvoll, Wetten auf den Boxkampf abzuschließen.
    Männer in Uniform gehörten ebenfalls zu den Zuschauern: ein paar Armeeoffiziere und lärmende Blaujacken, eine Gruppe Marinesoldaten auf Landgang.
    Hausierer und Marktschreier drängten sich durch die Menge, während am Rande der Menschenmassen Mütter ihren Kindern die Brust gaben und rotznasige Gören zwischen den Beinen der Erwachsenen durch den Dreck krabbelten. Verkrüppelte Bettler, die sich als Kriegsversehrte ausgaben, baten um milde Gaben, und Betrunkene übergaben sich in den Rinnstein. In einer Ecke des Hofs stand ein Fanatiker, seinen starren Blick auf eine Holzkiste gerichtet, und predigte gegen die Sünden des Fleisches und der Spielleidenschaft.
    Preisboxen war gesetzlich verboten. Aufpasser standen deswegen vor den Hofeingängen und in den schmalen Gassen Schmiere und warnten Kämpfer und Zuschauer, wenn sich Polizisten näherten. Dann wurde der Ring innerhalb weniger Minuten abgebaut und Kämpfer und Veranstalter tauchten in der Menge unter.
    Im Gedränge trieben sich allerdings
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