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Der Rattenfänger

Der Rattenfänger

Titel: Der Rattenfänger
Autoren: James McGee
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schnalzte ungeduldig mit den Fingern seiner rechten Hand. »Den Schlüssel!«
    »Ich habe den Schlüssel nicht«, entgegnete der junge Mann kopfschüttelnd. »Außerdem sagte ich Euch bereits, dass die Kuriertasche nichts Wertvolles enthält.«
    »Ich frage nicht noch einmal«, sagte der Bandit und richtete seine doppelläufige Pistole auf die Stirn des Offiziers.
    »Seid Ihr taub, Mann? Ich habe diesen beschissenen Schlüssel nicht!«
    »Soll ich dir das etwa glauben?«, schnaubte der Wegelagerer verächtlich. »Natürlich hast du diesen beschissenen Schlüssel.«
    »Jetzt hör mir mal zu, du hirnrissiger Ochse«, seufzte der Offizier verzweifelt. »Es gibt nur zwei Menschen, die einen Schlüssel haben: nämlich die Person, die die Papiere in die Tasche gesteckt hat, und die, an die ich sie übergebe. Wenn du willst, kannst du mich durchsuchen«, fuhr er mit vor Zorn funkelnden Augen fort. »Aber dann musst du mich zuerst erschießen.«
    Das war eine Herausforderung. Denn wer einen Marineoffizier tötete, hatte mit gravierenden Konsequenzen zu rechnen.
    Natürlich lügt er, dachte der Bandit. Dieser Idiot hat den Schlüssel sicher in seinem Stiefelabsatz versteckt.
    Er starrte seinen Gegner ein paar Sekunden an und zuckte dann scheinbar resigniert mit den Schultern. »Na, wenn’s denn so ist, will ich dir glauben, Leutnant.«
    Dann schoss er. Die Kugel traf den jungen Mann im rechten Auge. Mit einem Ausdruck der Fassungslosigkeit sank er zu Boden, während die Frau schrie und in den Armen ihres Ehemanns zusammenbrach. Das Hirn des Offiziers bespritzte die Anwesenden. Er war tot, noch ehe er rückwärts in den Schlamm fiel.
    Der Wegelagerer steckte seine noch rauchende Pistole ein, machte einen Satz nach vorn, durchsuchte die Taschen des Toten und fand mehrere Gegenstände: ein Taschentuch, ein silbernes Zigarrenetui, eine Taschenuhr, ein Klappmesser und – zur offensichtlichen Belustigung des Mörders – eine Pistole mit langem Lauf. Die Waffe steckte er in seinen Gürtel, die anderen Gegenstände in eine Tasche seines Mantels.
    »Bei Gott! Ich werde dafür sorgen, dass Ihr für diese Tat gehängt werdet!«, rief der Passagier im Frack, der noch immer seine ohnmächtige Frau in den Armen hielt. Der Geistliche neben ihm war mit aschgrauem Gesicht auf die Knie in den Schlamm gesunken.
    Der Räuber ignorierte die Warnung. Mit steigender Wut durchsuchte er weiterhin den Toten, jedoch ohne etwas zu finden. Schließlich warf er seinem Komplizen einen zornigen Blick zu. »Der Kerl hatte Recht. Er hat keinen Schlüssel. Möge Gott ihn in der Hölle schmoren lassen!«
    Dann untersuchte er die Kuriertasche. Seine Finger glitten prüfend über die Metallbänder und das sie sichernde Vorhängeschloss. Da war nichts zu machen. Also konzentrierte er sich auf die Kette mit der Fessel. Beides war ebenso solide. Wütend riss er an den Gliedern, sodass der Arm des Leichnams herumgeschleudert wurde.
    »Gottverdammt!«, fluchte er, warf die Kette von sich, stand auf und trat in einem Ausbruch unkontrollierter Wut mit dem Stiefel gegen den Kopf des Toten. Ein hässliches Knirschen war zu hören.
    »Bastard!«, keuchte er, stolperte heftig atmend ein paar Schritte zurück und starrte den Leichnam eine Weile an.
    Da spürte er unter den Sohlen seiner Stiefel, dass die Erde leicht bebte.
    Hufschläge. Reiter näherten sich rasch im Galopp.
    »Himmel noch mal!«, rief der Bandit, plötzlich von Panik ergriffen. »Das sind die Rotröcke! Eine verdammte Patrouille.«
    Er tauschte mit seinem Komplizen einen kurzen Blick aus, denn die beiden verstanden sich auch ohne Worte. Dann beugte er sich abrupt über den toten Offizier und griff in seinen Mantel.
    Mit einer unheimlich schnellen Bewegung zog er ein kurzes, scharfes Schwert aus der Scheide unter seinem Reitermantel und trennte mit einem gezielten Hieb die Hand vom Arm des Leichnams. Nachdem er seine Waffe wieder eingesteckt hatte, beugte er sich hinunter und streifte die Fessel über den blutigen Stumpf, ergriff die Kuriertasche und schwenkte sie triumphierend über dem Kopf.
    Als würde der Himmel ein Zeichen senden, zuckte genau in diesem Moment ein greller Blitz über das nachtschwarze Firmament, gefolgt von einem ohrenbetäubenden Krachen. Das Unwetter war zurückgekehrt.
    Und das Hufgetrampel, das von der Straße unter der Baumgruppe hierher hallte, wurde immer lauter.
    Der Straßenräuber reagierte schnell. Er warf seinem jungen Komplizen die lederne Kuriertasche zu, riss dem
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